Eine Beziehung zwischen einen Symbol und einem Symptom 1916-003/1926
  • S.

    EINE BEZIEHUNG ZWISCHEN EINEM
    SYMBOL UND EINEM SYMPTOM

    Erschien zuerst in der „Internationalen
    Zeitschrift für ärztl, Psychoanalyse“, IV,
    1916,

    Der Hut als Symbol des Genitales, vorwiegend des månn-
    lichen, ist durch die Erfahrung der Traumanalysen hin-
    reichend sichergestellt. Man kann aber nicht behaupten, daß
    dieses Symbol zu den begreiflichen gehört. In Phantasien
    wie in mannigfachen Symptomen erscheint auch der Kopf
    als Symbol des minnlichen Genitales, oder wenn man will,
    als Vertretung desselben. Mancher Analytiker wird bemerkt
    haben, daß seine zwangsleidenden Patienten ein Maß von
    Abscheu und Entrüstung gegen die Strafe des Kópfens äußern
    wie weitaus gegen keine andere Todesart, und wird sich
    veranlaBt gesehen haben, ihnen zu erkliren, daB sie das
    Gekópfiwerden wie einen Ersatz des Kastriertwerdens
    behandeln, Wiederholt sind "Träume jugendlicher Personen
    oder aus jungen Jahren analysiert und auch mitgeteilt worden,
    die das Thema der Kastration betrafen, und in denen von
    einer Kugel die Rede war, welche man als den Kopf des
    Vaters deuten mußte. Ich habe kürzlich ein Zeremoniell vor
    dem Einschlafen auflösen können, in dem es vorgeschrieben
    war, daß das kleine Kopfpolster rautenférmig auf den anderen

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    Eine Beziehung zwischen einem Symbol und einem Symptom 39

    Polstern liegen und der Kopf der Schlafenden genau im
    langen Durchmesser der Raute ruhen sollte. Die Raute hatte
    die bekannte, aus Mauerzeichnungen vertraute Bedeutung,
    der Kopf sollte ein minnliches Glied darstellen.

    Es könnte nun sein, daß die Symbolbedeutung des Hutes
    sich aus der des Kopfes ableitet, insofern der Hut als ein
    fortgesetzter, aber abnehmbarer Kopf betrachtet werden kann.
    In diesem Zusammenhange erinnerte ich mich eines Symptoms
    der Zwangsneurotiker, aus dem sich diese Kranken eine hart-
    nåckige Quålerei zu bereiten wissen. Sie lauern auf der Straße
    unausgesetzt darauf, ob sie ein Bekannter zuerst durch Hut-
    abnehmen gegrüßt hat, oder ob er auf ihren Gruß zu warten
    scheint, und verzichten auf eine Anzahl von Beziehungen,
    indem sie die Entdeckung machen, daB der Betreffende sie
    nicht mehr grüßt oder ihren Gruß nicht ordentlich erwidert.
    Sie finden solcher GruBschwierigkeiten, die sie nach Stim-
    mung und Belieben aufgreifen, kein Ende. Es ändert an
    diesem Verhalten auch nichts, wenn man ihnen vorhilt,
    was sie ohnedies alle wissen, daß der Gruß durch Hut-
    abnehmen eine Erniedrigung vor dem BegrüBten bedeutet,
    daß z. B. ein Grande von Spanien das Vorrecht genoB, in
    Gegenwart des Königs bedeckten Hauptes zu bleiben, und
    daB ihre GruBempfindlichkeit also den Sinn hat, sich nicht
    geringer darzustellen, als der andere sich diinkt. Die Resistenz
    ihrer Empfindlichkeit gegen solche Aufklårung låBt die Ver-
    mutung zu, daß man die Wirkung eines dem Bewußtsein
    weniger gut bekannten Motivs vor sich hat, und die Quelle
    dieser Verstärkung könnte leicht in der Beziehung zum
    Kastrationskomplex gefunden werden.