Gedankenassoziation eines vierjährigen Kindes 1920-003/1931
  • S.

    GEDANKENASSOZIATION EINES
    VIERJAHRIGEN KINDES
    (1920)

    Aus dem Brief einer amerikanischen Mutter: „Ich muß Dir
    erzihlen, was die Kleine gestern gesagt hat. Ich kann mich
    noch gar nicht fassen dariiber. Cousine Emily sprach davon,
    daß sie sich eine Wohnung nehmen wird. Da sagte das Kind:
    Wenn Emily heiratet, wird sie ein Baby bekommen. Ich war
    sehr überrascht und fragte sie: Ja, woher weißt du denn das?
    Und sie darauf: Ja, wenn jemand heiratet, dann kommt immer
    ein Baby. Ich wiederholte: Aber wie kannst du das wissen?
    Und die Kleine: Oh, ich weiß noch sehr viel, ich weiß auch,
    daß die Bäume in der Erde wachsen (in the ground). Denke
    Dir die sonderbare Gedankenverbindung! Das ist ja gerade
    das, was ich ihr eines Tages zur Aufklirung sagen will. Und
    dann setzt sie noch fort: Ich weiß auch, daß der liebe Gott die
    Welt schafft (makes the world). Wenn sie solche Reden führt,
    kann ich mir’s kaum glauben, daß sie noch nicht einmal vier
    Jahre alt ist.“

    Es scheint, daß die Mutter den Übergang von der ersten
    Auferung des Kindes zur zweiten selbst verstanden hat. Das
    Kind will sagen: Ich weiß, daß die Kinder in der Mutter
    wachsen, und drückt dies Wissen nicht direkt, sondern
    symbolisch aus, indem es die Mutter durch die Mutter Erde
    ersetzt. Wir haben bereits aus vielen unzweifelhaften Be-
    obachtungen erfahren, wie frühzeitig sich die Kinder der
    Symbole zu bedienen wissen. Aber auch die dritte Aufterung

  • S.

    Gedankenassoziation eines vierjåhrigen Kindes 173

    der Kleinen verläßt den Zusammenhang nicht. Wir kénnen
    nur annehmen, daß das Kind als ein weiteres Stück seines
    Wissens über die Herkunft der Kinder mitteilen wollte: Ich
    weiß auch, das ist alles das Werk des Vaters. Aber diesmal
    ersetzt sie den direkten Gedanken durch die dazugehörige
    Sublimierung, daß der liebe Gott die Welt schafft.

    UBER EINIGE NEUROTISCHE
    MECHANISMEN BEI EIFERSUCHT,
    PARANOIA UND HOMOSEXUALITAT

    (1922)
    A

    Die Eifersucht gehört zu den Affektzustinden, die man
    ähnlich wie die Trauer als normal bezeichnen darf. Wo sie
    im Charakter und Benehmen eines Menschen zu fehlen
    scheint, ist der Schluß gerechtfertigt, daß sie einer starken
    Verdrängung erlegen ist und darum im unbewuften Seelen-
    leben eine um so größere Rolle spielt. Die Fille von abnorm
    verstirkter Eifersucht, mit denen die Analyse zu tun be-
    kommt, erweisen sich als dreifach geschichtet. Die drei
    Schichten oder Stufen der Eifersucht verdienen die Namen
    1) der konkurrierenden oder normalen, 2) der pro-
    jizierten, 3) der wahnhaften.

    Uber die normale Eifersucht ist analytisch wenig zu
    sagen. Es ist leicht zu sehen, daf sie sich wesentlich zu-
    sammensetzt aus der Trauer, dem Schmerz um das verloren-
    geglaubte Liebesobjekt, und der narziftischen Krånkung, so-