S.
VII. Jahrgang. Wien, 15. Jänner 1893. Nr. 3.

„Internationale Klinische Rundschau“ erscheint jeden Sonntag
in einer Stärke von 2–3 Bogen. Abonnementspreis: für
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in Berlin, Albrechtstrasse 49. Inserate direct an die
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INTERNATIONALE

KLINISCHE RUNDSCHAU.

Centralblatt für die gesammte praktische Heilkunde, sowie für die Gesammtinteressen des ärztlichen Standes.

Herausgeber und Chef-Redacteur: Prof. Dr. Joh. Schnitzler.

Debitirt Alfred Holder, k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler in Wien, I. Rothenthurmstrasse 15.


INHALT: Originalartikel, Berichte aus Kliniken und Spitälern: Die Entwickelung der Kinderheilkunde in Wien und die Aufgabe unserer Poli-
klinik. (Prof. Dr. J. C. Monti.) Ueber Beckenperitonitis beim Weibe und die pathologische Bedeutung der Tubae Fallopiae in Beziehung zu ihrer Krümmheit.
(Prof. Dr. J. C. Cullingworth.) Ueber ein bisher nicht beschriebenes Symptom von hereditärer Syphilis. (Prof. Dr. Antonino Curatolo, Dozent
an der Universität in Palermo. (Vortrag.) Ueber den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene. (Doz. Freud. Wiener
medicinischer Club. (Originalbericht der Internationalen Klinischen Rundschau.)—Verhandlungen wissenschaftlicher
Vereine: Wiener medicinischer Club. (Originalbericht der Internationalen Klinischen Rundschau.)—Innere Medicin: Ueber die
Behandlung der Dementia paralytica mit Tuberculininjectionen. (Dr. E. Semesola in Neapel.) Aetiologie, Pathogenese und Behandlung der Pandemie von Variola Vera in Neapel.
(Fortsetzung.) Ueber die Therapie der gewöhnlichen Fieberformen und der Typhusartigen Fieber nach neueren Angaben der natürlichen Forscher und Aerzte in Nürnberg.
(Prof. Ferdinand Haupt.) Ueber die Ursachen der Gangränen und der Geschwüre infolge von Brandwunden und ihrer Behandlung. (Dr. D. E. Zielenki in
Warschau.) Ueber den Einfluss der Körpersäfte von an Tetanus immunisirten Bacillen auf den Tetanusbacillus. (L. Vaillard.) Ueber den Stoffwechsel bei Ent-
zündungen. (Dr. Carl Dapper.)—Chirurgie: Ueber die Behandlung des Schankers an der Tonsille. (Dr. S. Heldesheimer.) Ueber die Darstellung und Ent-
wickelung des Nervenapparates von angeborenen Säugethieren. (Dr. S. Heldesheimer.) Ueber die Behandlung der chronischen Exantheme durch Sulfon Natriums.
(Dr. M. Berendt.) Ueber die Injection von Goldsalzen beim Schanker und Syphilis. (Dr. Strauss in Köln.) Ueber die Behandlung der Diphtherie. (Dr. S. Heldesheimer.)
—Geburtshülfe: Zur Therapie der Ovaritis. (Dr. H. Heinrichius in Debreczin.)—Hautkrankheiten: Therapie der Impetigoen. (Dr. P. Ehrenfried.) Ueber die Verkleinerung der Corpora cavernosa durch Chloroformstromen im Schlafe. (Dr. P. Ehrenfried.) Tonsillen-
schanker. (Bulkley.)—Neuropathologie: Morbus Basedowii. (M. Hennen.)—Pharmaceutik: Das Formaldehyd als Antiseptikum. (Dr. F. Blum.) Pieduretin.
(Dr. E. Semesola in Neapel.) Ueber den Gegenwerth der Herzstärken und Heilmittel für Typhuskranken und Diphtheriepatienten. (Dr. P. Creagh.)—Vermischtes:
Zur Reform der Institution der Kranken und Communalarzte Ungarns. Der Budapester neue Verein der Spitalärzte. Der neue Verein
der Communalarzte Ungarns. Am Sein der Kranken und Communalarzte Ungarns. XI. Internationaler
Congr. Am Sein der Kranken und Communalarzte Ungarns.
 

Beilage: «Therapeutische Blätter» Nr. 1, 1893.

 


Originalartikel, Berichte aus Kliniken und Spitälern.

Die Entwickelung der Kinderheilkunde in
Wien und die Aufgabe unserer Poliklinik.*)
Von
Prof. Dr. J. C. Monti
 

Motto: „Suum cuique.“

Wir verdanken der Hochherzigkeit edler Gönner, in erster
Linie der thatkräftigen Theilnahme der Herren Wilhelm Gremann
und Johann Lüttkemann, die Gründung der Krankenanstalt und des dazu
gehörigen Forschungen gewidmeten Vereine.
 

In der That ist dieselbe in diesem engen, nach den
modernen Principien der Hygiene eingerichteten, für das Wohl
der Kinder bestimmten Hause, der Schauplatz der gemeinsamen
Anstalten begonnen, es ist mir gestattet, in kurzen Umrissen
die Geschichte der Kinderheilkunde und des Kinderinstitutes
in Wien zu schildern und auf geschichtlicher Grundlage unsere
künftige Aufgabe festzustellen.
 

Bereits in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
in Paris durch die Eröffnung des ersten Kinderhospitals die Er-
weckung der Kinderheilkunde begann, gründete in Wien
Dr. MASTALIER im Jahre 1787 eine Anstalt für kranke Kinder.
Diese Anstalt und unermüdliche Werke gelang es bald
in neues Licht zu stellen und diesen Zweigen die Lieblinge
unserer fachmännischen Behandlung zugänglich zu machen. Unter
MASTALIER'S Leitung wurde versucht, in Wien, zum ersten
Mal, das Studium der Pädiatrie zu pflegen. So wurde in
Wien, auch in geschehener Weise, doch der Keim für
die Entwickelung der Kinderheilkunde gesetzt. Nach MASTALIER'S
Tode fehlte leider das Interesse der Wiener Aerzte für
die Kinderheilkunde und die Anstalt fiel in Vergessenheit. Die
Forschung musste wiederholt mehrere Aerzte Wiens vergebens zur
Gründung des Institutes auffordern, bis im Jahre 1794 Dr.
GORCS sich bereit erklärte, die Leitung des k. k. Kinderkranken-
institutes zu übernehmen. GORCS war für die damalige Zeit

*) Vortrag, gehalten als Einleitung zu den Vorlesungen über Kinder-
krankheiten an der „I. öffentlichen Anstalt (Kinder-Poliklinik, Hospital
und Spital) der allgem. eu. Poliklinik in Wien, am 10. Jänner 1893.
                                                                                    

ein hervorragender Arzt und besass speciell für einen Kin-
derarzt die vorzüglichsten Eigenschaften. Durch seine streb-
same Thätigkeit und wissenschaftliche Fähigkeit erwarb er der
Kinderheilkunde den Rang, hauptsächlich durch seine
praktischen Abhandlungen über die vorzüglichen Kinder-
krankheiten und seine Vorschläge zur Pflege der Kindheit, der
periodischen Kinderziehung in den ersten Lebensperioden waren
sehr bekannt. Nach dem Ausscheiden des Kinderkranken-
hauses hat die Lehre des Hydrocephalus und der Meningitis
tuberkulosa aufgestellt. Aus GORCS' Schule sind GORCS und
später LACKER, die vorgeschlagen wurde, die Lehre des Wachs-
thums der Kinder begründet haben.
 

Nach dem im Jahre 1837 erfolgten Anstalt wurde
übergab der Mann die Anstalt der gebrüderliche Kinder.
Dr. Alexander Weiss, die Leitung des Kinderkranken-
institutes. Während seiner dreijährigen Thätigkeit trat ein
Stilstand in den Leistungen der Anstalt ein. In gleicher
Weise wirkte sein Nachfolger Dr. LONSER vom Jahre
1840–1850. Es ist wohl begreiflich, dass die damals durch
ROKITANSKY und SKODA sich vollziehende Umschwung in der Medicin
auf das Kinderkranken-Institut keinen Einfluss ausüben konnte,
und dass mit der im Jahre 1850 erfolgten
Uebernahme der Leitung des Institutes durch Professor Dr.
von erfolgreicher Thätigkeit begann. Prof. Dr. F. Haupt wurde
das Studium der Pädiatrie in Wien in eine neue Aera der
von erfolgreicher Thätigkeit begann. Prof. Dr. F. Haupt wurde
den Grundsätzen der klinischen Beobachtung der Kinderkrank-
heiten unterworfen, die Grundlagen für die ganze Kinderheilkunde
legten. Durch die Veröffentlichungen, welche die Resultate
der Beobachtung enthalten, wurde die Kinderheilkunde in Wien
wieder in Fluss gebracht und den Weg angedeutet, auf welchen
sie fortan zu wandeln hätte. Durch mehr als zwei Decennien
hat F. Haupt das grösste Kinderkranken-Institut geleitet und
neben zahlreichen Aerzten, die später selbst Kinderärzte wurden,
in seiner Schule herangezogen. Insbesondere ist es der
Forschung hervorragender, insbesonders der jetzige Leiter dieser