Über neurotische Erkrankungstypen 1912-002/1921
  • S.

    SÅ IX.

    "Über neurotische Erkrankungstypen”.

    In den nachstehenden Sätzen soll auf Grund empirisch‘ -
    gewonnener Eindrücke dargestellt werden, welche Veränderungen.
    der Bedingungen dafür maßgebend sind, daß bei den hiezu:
    Disponierten eine neurotische Erkrankung zum Ausbruch komme.
    Es handelt sich also um die Frage der Krankheitsveranlassun-
    gen; von den Krankheitsformen wird wenig die Rede sein. Von

    . anderen Zusammenstellungen. der Erkrankungsanlåsse wird sich
    ) diese durch den einen Charakter unterscheiden, ‚daß sie die auf-
    zuzRhlenden Veränderungen sämtlich auf die Libido des Indivi-
    duums ne Die Schicksale der Libido erkannten wir ja

    heit, oder Krankheit. Auch über den Begriff der Disposition ist
    in diesem Zusammenhange kein Wort zu verlieren. Gerade die |
    psychoanalytische Forschung hat uns ‚ermöglicht; die neurotische |
    « Disposition in der Entwicklungsgeschichte der Libido nachzu- )
    weisen und die in ihr wirksamen Faktoren auf" mitgeborene A
    . Varietäten: der sexuellen Konstitution und in der frühen Kind-,
    ‚heit erlebte: Einwirkungen der Außenwelt zurückzuführen.
    a) Der nächstliegende, am leichtesten auffindbare und am
    besten verständliche‘ Anlaß zur neurotischen Erkrankung liegt
    in jenem äußeren Moment vor, welches allgemein als die Ver-
    | sagung beschrieben werden kann. Das Individuum war ‚gesund,
    _ solange 'seine Liebesbedürftigkeit . durch ein reales Objekt | der o
    || Außenwelt befriedigt wurde; es wird. nenrotisch, sobald ibm |
    | dieses ses Objekt entzogen wird, ohne. daß. sich ein Ersatz dafür
    | findet. Glück falle hier mit Gesundheit, Tu mit Tu

    3 Zentralblatt fir Peychoanalyse, Bd. I, 1912. |

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    - . züsammen, Die Heilung fällt dem Schicksal, welches ftr die
    E verlorene Befriedigungsmøgliehkeit einen Ersatz Schenken kann,
    leichter als dem Arzte. i
    Für diesen Typus, an dem wohl die Mehrzahl der Men-
    schen Anteil hat, beginnt die Erkrankungsmöglichkeit also erst
    . mit der Abstinenz, woraus man ermessen kann, wie bedeutungs-
    ⑧ voll die kulturellen Einschränkungen der zugänglichen Befriedi-
    2 gung fiir die Veranlassung der Neurosen sein mögen, Die Ver-
    sagung wirkt dadurch pathogen, daß sie die Libido aufstaut

    ‚Wege es einschlagen wird, sich ihrer zu ‘entledigen. Es gibt
    "..'. > mur zwei Möglichkeiten, sich bei anhaltender realer Versagung
    | der Befriedigung gesund zu erhalten, erstens, indem man die
    25, psychische Spannung in tatkräftige Energie umsetzt, welche der
    _ Außenwelt zugewendet bleibt und endlich eine reale Befriedi-
    gung der Libido von ihr erzwingt; und zweitens, indem man
    auf die libidinöse Befriedigung verzichtet, die aufgestaute Libide
    sublimiert und zur Erreichung von Zielen verwendet, die nicht
    mehr erotische sind und der Versagung entgehen. Daß beide
    Möglichkeiten in den Schicksalen der Menschen zur Verwirkli-
    chung kommen, beweist uns, daß Unglück nicht mit Neurose
    zusammentällt, und daß die Versagung nicht allein über Gesund-
    heit oder Erkrankung der Betroffenen entscheidet. Die Wirkung
    "der Versagung liegt zunächst darin, daß sie die bis dahin un-
    . wirksamen dispositionellen Momente zur Geltung bringt. |
    ; Wo diese in geniigend starker Ausbildung vorhanden sind,
    ー besteht ‘die Gefahr, daß die Libido introvertiert werde), Sie
    . wendet sich von der Realität ab, welche durch die hartnäckige
    Versagung an Wert für das Individuum verloren hat, wendet
    sich dem Phantasieleben zu, in welchem sie neue Wunsch-
    + bildungen schafft und die Spuren früherer, vergessener Wunsch- _
    ‘bildungen wiederbelebt, ‚Infolge des innigen Zusammenhanges
    der Phantasietitigkeit mit dem in jedem Individuum vorhandenen
    infantilen, verdrängten und: unbewuBt gewordenen Material und
    dank der Ausnahmsstellung gegen die Realitütsprüfung, die dem
    1) Nach einen: von C, G, Jung eingeführten Terminus,
    i à 20%

    und nun das Individuum auf die Probe stellt, wie lange es |
    | diese Steigerung der psychischen Spannung ertragen, und welche |

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    Phantasieleben eingeräumt, ist), kann die Libido nun weiter
    rückläufig werden, auf dem Wege. der Regression infantile
    Bahnen auffinden und ihnen entsprechende Ziele anstreben.
    Wenn diese Strebungen, die mit dem aktuellen Zustand der
    Individualität unvertråglich sind, genug Intensität erworben
    haben, muf es zum Konflikt zwischen ihnen. und dem andern
    Anteil der Persönlichkeit kommen, welcher in Relation zur
    Realifit geblieben ist. Dieser Konflikt wird durch Symptom:
    bildungen gelöst und geht in manifeste Erkrankung aus. Daß
    der ganze Prozeß von der realen Versagung ausgegangen ist,
    spiegelt sich in dem Ergebnis wider, daß die Symptome, mit
    denen der Boden der Realität wieder erreicht wird, Ersatz-
    befriedigungen darstellen. — . ^ } i
    — の Der zweite Typus der Erkrankungsveranlassung is
    keineswegs so augenfillig wie der erste und konnte wirklich
    "erst. durch eindringende analytische Studien im Anschluß an |
    die Komplexlehre der Züricher Schule aufgedeckt werden"),
    Das Individuum erkrankt hier nicht infolge einer Verånderung
    in der Außenwelt, welche an die Stelle der, Befriedigung die |
    Versagung gesetzt hat, sondern infolge einer inneren Bemiihung, |
    um sich die in der Realität zugängliche Befriedigung zu holen.
    Es erkrankt an dem Versuch, sich der Realität anzupassen ши
    die Realforderung zu erfüllen, wobei es auf unüberwindliche
    innere Schwierigkeiten stößt, . . | VISITS UEM
    | Es empfiehlt sich, die beiden Ærkrankungstypen scharf
    gegeneinander abzusetzen, schärfer, als es die Beobachtung zu- -
    meist gestattet, Beim ersten Typus drängt sich eine Veründe-
    rung in der Außenwelt vor, beim zweiten füllt der Akzent auf
    eine innere Veränderung, Nach dem ersten Typus erkrankt man
    an einem Erlebnis, nach dem zweiten an einem Entwicklungs-
    vorgang. Im ersten Falle wird die Aufgabe gestellt, auf Be-
    | friedigung zu verzichten, und das Individuum erkrankt an seiner
    Widerstandsunfihigkeit; im zweiten Falle lautet die Aufgabe,
    eine Art der Befriedigung gegen eine andere zu vertau

    - i ⑥
    i : 3) Vgl. meine „Formulierungen über die zwei "Prinzipien, des
    | schen Geschehens'. Jahrb. 4. Psychoanalyse. Bd. 111. _ į 4 ME
    | 3) Vgl. Jung, Die Bedeutung des Vaters für das Schick al do
    zelnen. Jahrb, f. Psychoanalyse 1. 1909. Vy dde ॥ i 1

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    809 -

    į und die Person scheitert an ihrer Starrheit. Im zweiten Falle
    | ist der Konflikt zwischen dem Bestreben, so zu verharren, wie

    S man ist, und dem andern, sich nach neuen Absichten und

    p neuen Realforderungen £u veründern, von vorneherein gegeben; į

    zt im früheren Falle stellt er sich erst her, nachdem die gestaute ・

    Libido andere, und zwar unvertrügliche Befriedigungsmóglich-

    E keiten erwählt hat. Die Rolle des Konfliktes und. der vorherigen

    Fixierung. der Libido sind beim zweiten Typus ungleich augen-
    fålliger als beim ersten, bei dem sich solche unbrauchbare

    1 Fixierungen eventuell erst infolge der äußeren Versagung her-

    Bia stellen mögen.

    Å | Ein junger Mann, der seine Libido bisher dion Phanta-
    sien mit Ausgang in Masturbation befriedigt hatte und ‘nun
    dieses dem Autoerotismus nahestehende Regime mit der realen
    Objektwahl vertauschen will, ein Midchen, das seine ganze
    | Zärtlichkeit dem Vater oder Bruder geschenkt hatte und nun UM
    für einen um sie werbenden Mann die bisher unbewulten, in- — . Y

    || zestuüsen Libidowünsche bewußt werden lassen soll, eine Frau,
    die auf ihre polygamen Neigungen und Prostitutionsphantasien

    ja verzichten möchte, um ihrem Mann eine treue Gefihrtin und

    ihrem Kind eine tadellose Mutter zu werden: diese alle erkran-

    ‘ken an den lobenswertesten Bestrebungen, wenn die früheren

    ‘Fixierungen ihrer Libido stark genug sind, um sich einer Ver-

    schiebung zu widersetzen, wofür wiederum die Faktoren der ||

    Disposition, konstitutionelle Anlage und infantiles Erleben, ent- vb

    scheidend werden. Sie erleben alle sozusagen das Schicksal des

    Bäumleins i im Grimm schen Märchen, das andere Blätter haben | ①

    . gewollt; vom hygienischen Standpunkt, der hier freilich nicht

    _ allein in Betracht kommt, könnte man ihnen nur wünschen, SAR

    . dab sie "weiterhin so unentwickelt, so minderwertig und nichts- "ues

    nutzig geblieben: würen, wie sie es vor ihrer Erkrankung waren.

    Die Veränderung, welche die Kranken: anstreben, aber nur un-

    vollkommen oder gar nicht zustande bringen, hat regelmüDig — . E

    | den Wert eines Fortschrittes im Sinne des realen Lebens. An- — |
    ders, wenn man mit ethischem MaBstabe miDt; man sieht die

    Menschen ebenso. oft. erkranken, wenn sie ein Ideal abstreifen, i

    り "als wenn sie es erreichen wollen.

    "Ungeachtet der sehr deutlichen Verschiedenheiten der

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    : beiden beschriebenen Erkrankungstypen, treffen sie doch im

    wesentlichen zusammen und lassen sich unschwer zu einer Ein-
    heit zusammenfassen. Die Erkrankung an Versagung fällt auch
    unter den Gesichtspunkt der Unfähigkeit zur Anpassung an die
    Realität, nämlich an den eigen Fall daß die Realität die Be-
    friedigung der Libido versagt. Die Erkrankung unter den Be-

    dingungen des zweiten Typus führt ohne weiteres zu einem .

    Sonderfall der Versagung. Es ist hiebei zwar nicht jede Art
    der Befriedigung von der Realitüt versagt, wohl aber gerade
    die eine, welche das Individuum für die ihm einzig mögliche,
    erklärt, und die Versagung geht nicht direkt von der AuDen-
    welt, sondern primür von gewissen Strebungen des Ichs aus,
    aber die Versagung bleibt das Gemeinsame und Übergeordnete.
    Infolge des Konfliktes, der beim zweiten Typus sofort einsetzt,
    werden beide Arten der Befriedigung, die gewohnte wie die an-.
    gestrebte, gleichmäßig. gehemmt; es kommt zur Libidostauung
    mit den von ihr ablaufenden Folgen wie im ersten Falle. Die
    psychischen Vorgänge auf dem Wege zur Symptombildung sind

    beim zweiten Typus eher übersichtlicher als beim ersten, da die |
    | pathogenen Fixierungen der Libido hier nicht erst herzustellen

    - waren, sondern während der Gesundheit in. Kraft bestanden
    . hatten. Ein gewisses. Maß von Introversion der Libido war

    meist schon vorhanden; ein Stück der Regression zum Infantilen

    wird dadurch erspart, daß die Entwicklung noch nicht den |

    . ganzen Weg zurückgelegt hatte, A

    e) Wie eine Ubertreibung des zweiten Typus, der Erkran-

    | kung an der Realforderung, erscheint der nächste Typus, den

    ich als Erkrankung durch Entwi cklungshemmung beschrei-
    ben will. Ein ‘theoretischer Anspruch, ihn abzusondern, lige |

    nicht vor, wohl aber ein praktischer, da es sich ‚um Personen

    handelt, die erkranken, sobald sie das unverantwortliche Kindes-

    alter überschreiten, und somit niemals eine Phage von Gesund- .
    heit, d. h. von im ganzen uneingeschrinkter Leistungs- und -

    Genubfähigkeit erreicht haben. Das Wesentliche des disponieren-

    den Prozesses liegt in diesen Fällen klar zutage. Die Libido

    hat die infantilen Fixierungen niemals verlassen, die. Realforde-
    vung tritt nicht plötzlich einmal an das ganz oder zum Teil

    . gereifte Individuum heran, sondern wird durch den Tatbestand.

    y U

  • S.

    des Alterwerdens selbst gegeben, indem sie sich selbstverstind-

    licherweise mit dem Alter des Individuums kontinuierlich: än- |

    _ dert. Der Konflikt tritt gegen die Unzulänglichkeit zurück, doch

    müssen wir nach allen unseren sonstigen Kinsichten ein Be- |

    streben, die Kindheitsfixierungen zu überwinden, auch hier sta-
    tuieren, sonst könnte niemals Neurose, sondern nur stationärer
    intra ile der Ausgang des Prozesses sein.

    d) Wie der dritte Typus uns die. disponierende Bedingung
    fast isoliert vorgeführt hatte, so macht uns der nun folgende
    vierte auf ein anderes Moment aufmerksam, dessen Wirksamkeit
    in allen Fällen in Betracht kommt und gerade darum leicht+in
    einer theoretischen Erórterung übersehen werden kónnte. Wir
    sehen nämlich Individuen erkranken, die bisher gesund gewesen
    waren, an die kein neues Erlebnis herangetreten ist, deren Ве-
    lation zur Außenwelt keine Anderung erfahren hat, so daß ihre

    ‚Erkrankung den Eindruck. des Spontanen machen muß. Nähere

    Betrachtung solcher Fälle zeigt uns indes, daß sich in ihnen
    doch eine Veränderung vollzogen hat, die wir als höchst bedeut-
    sam für die Krankheitsverursachung einschätzen müssen. Infolge

    ‚des Erreichens eines gewissen Lebensabschnittes und im An-

    schlusse an gesetzmäBige biologische Vorgänge hat die Q ua n-

    _ 104 0 der Libido in ihrem seelischen Haushalt eine Steigerung
    erfahren, welche für sich allein hinreicht, das Gleichgewicht der _ -
    „Gesundheit umzuwerfen und die Bedingungen der Neurose her-

    zustellen. Wie bekannt, sind solehe eher plótzliche Libidosteige-

    | rungen mit der Pubertüt und der Menopause, mit dem Erreichen

    gewisser Jahresz ahlén bei Frauen, regelmäßig verbunden; bei

    . manchen Menschen mógen sie sich tiberdies in noch unbekannten

    Periodizitiiten äuBern, Dic Libidostauung ist hier das primäre
    Moment, sie wird pathogen infolge der relativen Versagung
    von seiten der AuBenwelt, die einem geringeren Libidoanspruch

    die Befriedigung noch gestattet. hätte. Die, unbefriedigte und |
    gestaute Libido kann wieder die Wege zur Regression eröffnen

    und dieselben Konflikte anfachen, die wir für den Fall der ab-
    soluten äußeren Versagung festgestellt haben, Wir werden auf

    solche Weise daran gemahnt, daß wir das quantitative Moment.

    bei keiner Überlegung über Krankheitsveranlassung außer acht
    lassen dürfen Alle anderen Faktoren, die Versagung, Fixierung,

    0

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  • S.

    Entwicklungshemmung, bleiben wirkungslos, insofern sie nicht
    ein gewisses Maß der Libido betreffen und eine Libidostauung
    von bestimmter Höhe hervorrufen. Dieses Maß. von Libido, das
    uns für eine pathogene Wirkung unentbehrlich | diinkt, ist für
    uns freilich nicht meBbar; wir kinnen es nur postulieren, nach-
    dem der Krankheitserfolg eingetreten ist. Nur nach einer Rich-
    tung dürfen wir es enger bestimmen; wir dürfen annehmen,
    daß es sich nicht um eine absolute Quantität handelt, sondern
    um das Verhältnis des wirksamen Libidobetrages zu jener.
    Quantitit von Libido, weiche das einzelne Ich bewältigen, d. h.
    in Spannung erhalten, sublimieren oder direkt verwenden kann.
    Daher wird eine relative Steigerung der Libidoquantitit die-
    selben Wirkungen haben können wie eine absolute. Eine Schwä-
    chung des Tchs durch organische Krankheit oder durch beson-
    dere Inanspruchnahme seiner Energie wird imstande sein, Neurosen _
    zum Vorschein kommen zu lassen, die sonst trotz aller Dispo-
    _ sition latent geblieben wiren. |
    ‘Die Bedeutung, welche wir der Libidoquantitit fiir lie
    M toms zugestehen müssen, stimmt in wiinschens-
    | werter. Weise zu Zwei Hauptsitzen | der Neurosenlehre, die sich
    aus der Psychoanalyse ergeben haben. Erstens zu dem Satze,
    daß die Neurosen aus dem Konflikt zwischen, dem Ich und der |
    Libido entspringen, zweitens zu der. Einsicht, dab keine quali-
    tative Verschiedenheit zwischen den Bedingungen der Gesund-
    ‚heit und denen der Neurose bestehe, daß die Gesunden vielmehr |
    | mit ‚denselben Aufgaben der Bewältigung der Libido zu PET
    haben, nur daß es ihnen besser Ganassi ist. da ゃ た n |
    | ^. Es erübrigt noch, einige Worte über das Verhältnis don NE
    end zur Erfahrung zu sagen. Wenn ich die Anzahl vom Me
    Kranken üiberblicke, mit deren ‘Analyse ich gerade jetzt | des 19%
    schäftigt Ђаво muß ich feststellen, daß keiner. von ihnen einen |
    der vier Erkrankungstypen rein realisiert. Ich finde vielmeh
    bei jedem ein Stück der Versagung wirksam. neben einem Anteil —
    | von Unfähigkeit, sich. der Realforderung anzupassen; der Ge-
    sichtspunkt der Entwick] ungshemmung, . die ja mit der Starrheit |
    “der, Fixierungon zusammenfiillt, „kommt bei allen | in Betracht,

    0

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    i 6 ) 313

    Få 1 M i
    mehreren unter diesen Kranken die Krankheit in Schiiben zum
    Vorschein gekommen ist, zwischen welchen Intervalle von Ge-
    sundheit lagen, und daß jeder dieser Schiibe sich auf einen
    ‚andern Typus von Veranlassung zurückführen läßt. Die Auf-
    stellung dieser vier Typen hat also keinen hohen theoretischen
    Wert; es sind bloß verschiedene Wege zur Herstellung einer
    gewissen pathogenen Konstellation im seelischen Haushalt,
    nämlich ‚der Libidostauung, welcher sich das Ich mit seinen
    Mitteln nicht ohne Schaden erwehren kann. Die Situation selbst.
    wird aber nur pathogen infolge eines quantitativen Momentes;
    sie ist nicht etwa eine Neuheit fiir das Seelenleben und durch das
    Eindringen einer sogenannten ,Krankheitsursache“ geschaffen,
    Eine gewisse praktische Bedeutung werden wir den Er-
    krankungstypen gerne zugestehen. Sie sind in einzelnen Fällen
    auch rein zu beobachten; auf den dritten und vierten Typus
    wären wir nicht aufmerksam geworden, wenn sie nicht die ein-
    zigen Veranlassungen der Erkrankung für manche Individuen
    enthielten. Der erste Typus hält uns den außerordentlich müch-
    tigen Einfluß der Außenwelt vor Augen, der zweite den nicht
    minder bedeutsamen. der Eigenart des Individuums, welche sich

    > diesem Einflusse widersetzt. Die Pathologie konnte dem Problem 2

    der Krankheitsveranlassung bei den Neurosen nicht gerecht

    =, werden, solange sie sich bloß um die Entscheidung be-

    mühte, ob diese Affektionen endogener oder exogener
    Natur seien, Allen Erfahrungen, welche auf die Bedeutung der

    Abstinenz (im weitesten Sinne) als Veranlassung hinweisen, —
    28 mußte sie immer den Einwand entgegensetzen, andere Personen
    | vertriigen dieselben Schicksale, ohne zu erkranken. Wollte sie
    aber die Eigenart des Individuums als das fiir Krankheit und |

    (Gesundheit Wesentliche betonen, so mußte sie sich die Vorhal-
    tung gefallen lassen, daß Personen mit solcher Eigenart die
    längste Zeit über gesund bleiben, können, so lange ihnen nur
    gestattet ist, diese Eigenart zu bewahren. Die Psychoanalyse
    hat uns gemahnt, den unfruchtbaren Gegensatz von äußeren und
    ‚ inneren Momenten, von Schicksal‘ und Konstitution, aufzugeben, und
    "hat uns gelehrt, die Verursachung der neurotischen Erkrankung
    ; = regelmäßig i in einer bestimmten psychischen Situation zu finden,

    « welche auf verschiedenen Wegen hergestellt werden kann.

    m