Varia [März 1914] 1914-765/1914
  • S.

    Varia.

    Zum Inzestkomplex.
    a) Aus Dichtern.

    Die Liebeswahl des Mannes. Nietzsche: ,Jedermann trågt ein Bild
    des Weibes von der Mutter her in sich; davon wird er bestimmt, die Weiber
    tiberhaupt zu verehren oder sie gering zu schitzen oder gegen sie im allge-
    meinen gleichgültig zu sein.“ (Menschliches-Allzumenschliches I, 380.)

    Aus dem Briefwechsel zwischen dem Dichter Alfred de Musset und
    seiner Geliebten George Sand. Musset schreibt ihr: Tu t'étais trompé,
    tu t'es crue ma maîtresse, tu n'étais que ma mère; c’est un inceste, que
    nous commettions*. George Sand antwortet: „Tu as raison; notre embra-
    sement était un inceste, mais nous ne le savions pas.“

    In dem Romane „Pierre et Jean“ von Maupassant ist die
    Analyse Freuds, welche die Fixierung am „Dirnentypus* auf die infantile
    Einstellung zur Mutter zurückführte, vorweggenommen und plastisch ge-
    formt. Pierre entdeckt, daß sein Bruder Hans die Frucht eines Liebesver-
    hältnisses seiner Mutter ist.!) Nach der Entdeckung steht Pierre in eigentüm-
    licher Weise seiner Mutter gegenüber, halb als gekrünkter Sohn, halb als
    betrogener Gatte, woraus man noch die ursprünglich inzestuóse Phantasie des
    Kindes erkennen kann. ,Pierre betrachtete seine Mutter, die gelogen hatte.
    Er betrachtete sie mit der Verzweiflungstat eines hintergegangenen Sohnes,
    der sich in seinen heiligsten Gefühlen betrogen fühlte, mit der Eifersucht eines
    blinden Mannes, der endlich den schmachvollen Betrug entdeckt. Wenn er,
    derihr Sohn war, der Mann dieser Frau gewesen würe, hütte er sie bei den
    Handgelenken gepackt, bei den Schultern, bei den Haaren zu Boden geworfen,
    sie geschlagen, gestoßen und zerstampft.* Maupassant zeigt nun, wie diese
    Entdeckung allmählich die Wirkung hervorbringt, daß alle Frauen von Pierre
    als Dirnen angesehen werden. Da sein Bruder Hans sich verlobt, sagt Pierre
    hohnisch lachend zu Hans: „Ich lerne, wie man sich auf die Horner vorbe-
    reitet.^ Die Mutter verteidigt die Draut. Pierre aber sagt: ,Ha, ha, ha. Die
    Anständigkeit selbst. Alle Frauen sind die Anstindigkeit selbst. . . . . und
    alle Münner tragen Horner. Die Wunde war angewachsen wie eine Schwüre
    und bespritzte alle Welt mit Eiter.^ Aus dieser Psychogenese des Zynismus
    Pierres verstehen wir die Verallgemeinerung seiner Erkenntnis von der einen

    1) Das gleiche brüderliche Eifersuchtsverhältnis wie in „Pierre et Jean" sollte in
    dem unvollendeten Roman ,l'Angélus* dargestellt werden, den Maupassant noch
    nach Ausbruch seiner Geisteskrankheit entwarf und von dem Bruchstücke in der
    »Revue de Paris* (1895) veróffentlicht wurden. Auch hier steht neben dem recht-
    müfig geborenen Sohn ein jüngerer illegitimer Bruder, der krüppelhaft bleibt. Später
    verlieben sich beide in dasselbe Madchen, daß den älteren Bruder vorzieht. (Nach
    Vorberg: Maupassants Krankheit, S. 22, Anmkg. 3.) (Anmkg. d. Red.)

  • S.

    Varia. 195

    geliebtesten Frau auf alle anderen. „Alle diese Frauen“, denkt er, „dachten
    immer dasselbe, Ihr schon anderen Männern geschenktes, verkauftes, verspro-
    chenes Fleisch anzubieten und begehrenswert erscheinen zu lassen. Und er
    meinte, daß es auf der ganzen Erde so sei.“

    Bruderkomplex. Auch gegen den Bruder haben wir wie gegen den Vater
    eine ambivalente Einstellung. Dem Kinde ist der Bruder immer ein Objekt
    heimlicher Eifersucht, denn er muß sich ja mit ihm in die Liebe der
    Eltern teilen. Auch Maupassant hat diese Gefihlseinstellung erkannt, als
    er in „Pierre et Jean“ das Verhältnis zwischen Brüdern zum Objekt nahm:
    „Aber eine unbestimmte Eifersucht, eine von jenen in Seelentiefen schlum-
    mernden Eifersuchtsregungen, die zwischen Brüdern oder Schwestern, bis sie
    erwachsen sind, langsam reifen und zum Durchbruche kommen, etwa bei der
    Verheiratung des einen oder bei irgend einem Glück, das dem anderen wider-
    fährt, blieb immer zwischen ihnen wach, eine briiderliche, dumpf schlummernde
    Feindschaft.“ Feinsinnig verlegt der Dichter den Anfang solcher Feindschaften
    in die frühe Kinderzeit: „Peter, der fünf Jahre alt gewesen, als Hans geboren
    wurde, hatte mit der Feindschaft des kleinen, verzogenen Lieblings dies andere
    kleine Wurm betrachtet, das plötzlich Vater und Mutter liebten und das
    soviel Liebe und Liebkosung erfuhr. * Der Bruder, namentlich der ältere,
    kommt bei dieser Einstellung manchmal dazu, die unbewufte Stellvertretung
    für den Vater in den Augen des jüngeren Bruders zu übernehmen. Deutlich
    zeigt sich dieser Verschiebungsmechanismus des kindlichen Hasses in B yrons
    „Cain“, So ruft der Engel dem Mörder zu: „Du schlugst den Bruder tot!
    Wer schützt dich einstens gegen deinen Sohn ?* — Daß beim weiblichen Geschlechte
    eine analoge Einstellung herrscht, spricht Bernhard Shaw mit einem zyni-
    schen Worte aus, das fast ein psychoanalytisch tiefes Verstündnis der unbe-
    wubten Regungen vermuten läßt: „In der Regel gibt es nur einen Menschen,
    den ein englisches Mädchen noch mehr als seine Mutter haft und das ist die
    älteste Schwester“, (Man and Superman.) — Die Eifersucht zwischen Mutter
    und Tochter kennt auch Anatole France: J'ai remarqué que les filles, au
    contraire, ne se trompent pas sur la faculté d'aimer de leurs méres ni sur
    l'emploi qu'elles en font: elles sont des rivales: elles en ont le coup d'oeil.
    (L'ile de pinguins.)

    Oskar Wilde über Kinder und Eltern. ,Kinder lieben anfangs ihre
    Eltern, Wenn sie älter werden, beurteilen sie sie. Bisweilen verzeihen sie
    ihnen." — „Jede Frau wird wie ihre Mutter, und das ist ihre Tragödie, Kein
    Mann wird wie seine Mutter, und das ist seine Tragödie,“

    Eine königliche Liaison als Inzest betrachtet. Man machte über Ludwig
    XV. und die Fürstin von Berry folgendes Epigramm:

    „Ce n'est pas le fils c'est le pére,
    c'est la fille et non pas la mère.
    å cela prés, tout est au mieux,
    et, s'il vient à perdre les yeux
    c’est le vrai sujet de Sophocle.*
    (Zitiert nach: L'esprit du XVIII" siècle von George Pierredon,Paris 1913.)
    Sümtliche Beitrüge mitgeteilt von Dr. Theodor Reik.
    Einen in diesem Zusammenhang interessanten Grabspruch!) sendet uns
    Prof Morichau-Beauchant aus der „Chronique Medicale“ von 1. No-
    vember 1913 ein:

    1) Ähnliches Material findet sich bei Rank: Das Inzestmotiv in Dichtung und
    Sage (1912), S. 365, 335.
    18*

  • S.

    196 Varia.

    „Un tombeau de la funèbre série attire particulièrement l'attention, celui
    d'Auguste Vacquerie ; les vers, qu’on peut lire sur la pierre tombale, sont si
    jolis et si touchants, que je n'ai pu résister au désir de copier cette épitaphe
    pour les lecteurs de la Chronique:

    Auguste

    VACQUERIE
    1819—1895.

    Ma mère avait sa chambre à côté do la mienne.
    Je me suis assuré ma place au cimetière

    Tout contre celle où nous l’avons couchée, afin

    De sentir là tout près la mère au cœur divin

    Que vivante j'aimais et que morte j'adore.

    Et, comme si cela nous rapprochait encore,

    Je veux qu’à son tombeau le mien soit ressemblant.

    Ainsi mourir n’aura pour moi rien de troublant
    Et ce sera reprendre une habitude ancienne
    Que de savoir ma chambre à côté de la sienne.
    Docteur AUDART.

    b) Aus der Tageschronik- り

    „Liebesverhältnis zwischen Mutter und Sohn, Aus Zürich,
    26. Februar 1914 wird telegraphiert: Ein Liebesverhåltnis zwischen M utter und
    Sohn hat heute in Baden im Kanton Aargau ein tragisches Ende gefunden.
    Eine 44jihrige Italienerin namens Augusta Cicolati hatte ihren Sohn, den
    sie als Kind vernachlässigt hatte, später zu sich genommen, und als er erwachsen
    war, mit ibm ein Liebesverhåltnis angekniipft. Der junge Cicolati, der den
    Tripoliskrieg als Aviatiker mitgemacht hatte, stand im Begriff, sich mit einer
    jungen Schweizerin zu verloben. Seine Mutter, die in ihrer verbrecherischen
    Liebe zu ihrem Sohne diesen keiner anderen Frau überlassen wollte, griff aus
    Eifersucht zum Dolch und erstach ihren Sohn.“

    „Gatten-undVatermordund —einstimmigerFreispruch, Vor
    den Geschworenen der Oise in Beauvais (Frankreich) standen der 20jährige
    Arbeiter Portier und seine 42 Jahre alte M utter unter der Anklage, den
    Gatten und Vater ermordet zu haben. Der alte Portier war ein unver-
    besserlicher Trunkenbold, der seine Frau miflhandelte und sich an seinen
    beiden Tóchtern sittlich vergehen wollte. Eines Tages sagte die
    Mutter zu ihrem Sohne: „Wenn ich nur Courage hätte?“ 一 „Was würdest
    du dann tun?“ fragte der Sohn. ,Dann würde ich deinen Vater
    ermorden!“ war die Antwort, „Gut,“ sagte der Sohn, „dann werde
    ich es tun!“ Freudig gab ihm die Mutter 20 Franken, damit er einen Re-

    1) In einem kleinen kasuistischen Artikel „Zur Psychologie der Blutschande*
    (H. Groß’ Archiv, Bd. 55, 1913, S. 268— 270) berichtet Max Marcuse den Fall einer
    åltlichen Proletarierfrau, die von ihrem 18jährigen Sohne ein Kind bekommen hatte.
    Sie begründete das Verhültnis mit Geldersparnis,indem sie dem Sohn die Prostituierten
    ersetzen wollte.

    Ein anderer Fall handelt von einem Inzest zwischen Vater (51 Jahre) und
    Tochter (26 Jahre) dem im Laufe der Jahre fünf Kinder entsprossen waren. Der An-
    geklagte verantwortete sich dahin, daß die Tochter, sein auBereheliches Kind, ihn zu
    sehr an ihre von ihm geliebte Mutter erinnert habe.

  • S.

    Varia. 197

    volver kaufe. Als der Sohn in dessen Besitz gelangt war, gab er bei einem
    neuerlichen heftigen Auftritt mit seinem Vater sechs Schüsse auf ihn ab, unter
    denen er róchelnd zusammenbrach, Der Sohn ging dann hinaus und sagte zur
    Mutter: „Du kannst hereinkommen, es ist geschehen.“ Die Mutter bemerkte
    jedoch, daß sich ihr Mann noch bewege und sie forderte den Sohn auf,
    ihn vollends totzuschieBen, was dieser durch zwei neue Schüsse auch
    tat, Die Angeklagten erzählten selbst diesen hier kurz zusammengefaften
    Tatbestand und die Geschworenen fanden den Mut, beide einstimmig
    freizusprechen!“

    „Eine ganze Familie zum Tode verurteilt. Madrid, 8. Fe-
    bruar 1914. Das Schwurgericht von Pontevedra verurteilte nach lin-
    gerer Verhandlung eine ganze Familie, Mutter und zwei Sohne, zum
    Tode. Die Frau hatte mit Unterstützung ihrer Söhne ihren Gatten im Schlaf
    ermordet, Das Gericht kam zu der Erkenntnis, daß sich alle drei Personen
    der Ermordung schuldig gemacht haben, und verurteilte sie zum Tode.“

    Der Mörder seines Vaters. In Gyula wurde Franz Püspôky,
    der in Verteidigung seiner Mutter den eigenen Vater mit der Axt erschlagen
    hatte, wegen Totschlages zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. (9. Febr. 1914.)

    „Ein unglicklicher Junge. Zu äußerst unerquicklichen Familien-
    szenen ist es am 27, Februar 1914 in einem Hause der K . , . gasse in
    Favoriten gekommen. Im Hause wohnt der 59jährige Schuhmachermeister
    Felix G. Das Familienleben ist sehr unglücklich und zwischen G. und seiner
    Gattin kam es oft zu Zank und Streit. G. scheute sich nicht, vor den Augen
    seiner Kinder die Mutter za mifihandeln. Auch mittags kam es zwischen den
    Eheleuten zu einem Streite und zu einer Schlägerei. Der vierzehnjührige Sohn
    des Ehepaares, Gottfried, war Zeuge des Vorfalles, Wie schon oft zuvor, tat
    ihm seine Mutter schrecklich leid; und als der Mann seiner Frau hart zusetzte
    und sie auch angriff, bemächtigte sich des Jungen derartiges Entsetzen, daß
    er seiner Mutter zu Hilfe kommen wollte und ein Brotmesser, das auf dem
    Tische lag, ergriff, Von hinten stieß er das Messer dem eigenen Vater in die
    rechte obere Riickengegend. Schwerverletzt ließ der Mann von der Frau ab
    und wendete sich gegen den Jungen. Hausleute eilten auf die Hilferufe der
    Frau herbei und nahmen den Jungen an sich,“

    „Ein Säufer von seinen Söhnen erschlagen. Agram, 7. Fe-
    bruar 1914. Im Dorfe Golumbinci ereignete sich eine furchtbare Bluttat.
    Der Bauer Mate Tonkovic hatte sich wegen seiner Trunksucht mit seiner
    ganzen Familie überworfen. Seine Sohne hatten sich beim Nachbar einquar-
    tiert, was den Bauern sehr aufbrachte. Er ging vollständig angetrunken
    zum Hause des Nachbarn und feuerte drei Revolverschiisse gegen die Fenster
    ab. Sein Sohn Anton stürzte heraus und bald kam auch der zweite Sohn
    Paul herbei, Vater und Söhne rauften nun miteinander, wobei die Söhne
    fortgesetzt die Angriffe des Vaters abwehrten. Schließlich zog Anton Tonkovic
    sein Messer und stach gegen seinen Vater los, Dieser stürzte bald blutiiber-
    strömt zusammen und verschied. Die Behörde stellte beide Sohne unter
    Anklage. Anton wurde zu fiinf, Paul zu drei Monaten schweren Kerkers
    verurteilt. “

    „Eine Petersburger Skandalgeschichte. Petersburg,
    9. Februar 1914. Die Liebschaft des Ministers der Volksaufklårung C asso mit der
    Frau des Reichsrates, Stallmeisters am kaiserlichen Hofe und Präsidenten der
    Petersburger Handelskammer Denissow, die in einer Ohrfeigenszene im Re-
    staurant „Zum Biren“ zu einem öffentlichen Skandal führte, hat ein blutiges
    Drama hervorgerufen, Die Sohne des hintergangenen Ehemannes

  • S.

    198 Varia.

    der sich selbst sehr ruhig verhält, hatten den Minister mit ihrer
    Mutter in dem erwähnten Restaurant überrascht und geziich-
    tigt; der ältere, Elias, ist Student der Pariser, der jüngere, Nikolai, Student
    der Petersburger Universitit. Infolge des Skandals beschlossen sie, ihrem
    Leben ein Ende zu machen und schrieben Briefe an sämtliche Reichsratsmit-
    glieder, Redaktionen und Minister, wobei sie in 22 Punkten das Verhältnis
    des Ministers Casso zu ihrer Mutter nachzuweisen suchten. Die Geheimpolizei
    erfuhr davon und ihr Leiter veranlafte den Reichsrat Denissow, einzugreifen,
    Während sich der ältere Sohn überreden ließ, hat sich Samstag nachts der
    jüngere, Nikolai Denissow, eine Kugel ins Herz gejagt und eine Stunde später
    war er tot. Auf einem zurückgelassenen Zettel fand man die Worte: „Ich
    kann die Schande meiner Mutter nicht mehr ertragen.“ Die von den beiden
    Denissow verfaßte Schrift wurde bis auf wenige Exemplare, die sich noch in
    verschiedenen Zeitungsredaktionen befinden, beschlagnahmt. Ihr Inhalt ist
    derart, daß er nicht veröffentlicht werden kann,“

    „Vater und Sohn im Kampfe um die Geliebte. Der Vater
    tötet den Sohn. Paris, 31. Dezember 1913. Als der Sänger Frag-
    son um 9 Uhr abends in Begleitung seiner Geliebten in seine in der Rue
    Lafayette befindliche Wohnung zurückkehrte, die er gemeinschsftlich mit seinem
    Vater innehatte, entspann sich ein heftiger Wortwechsel zwischen ihm und
    seinem Vater, in dessen Verlauf der Vater aus einem Revolver Schüsse abgab.
    Der Sohn stürzte, von Kugeln hinter dem rechten Ohre getroffen, blutüber-
    strömt zusammen. Er wurde ins Krankenhaus überführt, wo er kurz vor
    Mitternacht starb, Sein Vater wurde verhaftet. Er erklärte, für ihn sei
    das Leben wegen des Zusammenlebens seines Sohnes mit dessen Geliebten un-
    erträglich gewesen und er habe daher Selbstmord begehen wollen und den
    Revolver gezogen. Er könne sich nicht erklären, warum er die Waffe gegen
    seinen Sohn gerichtet habe, Der Greis scheint die Tat in einem Anfall von
    greisenhafter Geistesstórung begangen zu haben und sich ihrer Schwere nicht
    bewußt zu sein.“

    Kürzlich war eine Verhandlung vor dem Nürnberger Schwurgericht,
    vor dem sich der Tischlergeselle Friedrich Haiger wegen des Verbrechens der
    Blutschande und des Totschlages zu verantworten hatte, Neben ihm mußte
    seine jetzt 21 Jahre alte Tochter Else unter der Anklage von Sittlichkeits-
    vergehen auf der Anklagebank Platz nehmen. Der Angeklagte Haiger wurde
    beschuldigt, an seiner Tochter Else fortgesetzt unzüchtige Handlungen vor-
    genommen zu haben, und zwar schon von deren 9. Jahre an, Als dem
    Angeklagten im Jahre 1908 die Frau starb, trat er zu dem
    damals 18 Jahre alten Mädchen in intime Beziehungen, die er
    bis in die letzte Zeit fortsetzte. Außerdem verführte der Wüstling auch
    seine zweite Tochter Babette, die damals 14 Jahre alt war. Dieses Mädchen
    scheint in der letzten Zeit entschlossen gewesen zu sein, die blutschänderischen
    Beziehungen zu dem Vater aufzugeben. In einer Septembernacht des vorigen
    Jahres weigerte sie sich, seinem Willen nachzukommen. Der Angeklagte
    geriet hierüber in große Wut, die durch ein Gefühl der Eifersucht
    gesteigert wurde. Am Vorabend hatte nämlich das junge Mädchen mit
    einigen jungen Leuten gescherzt. Als das Mädchen im Bett lag, ergriff Haiger
    einen Revolver und schoß auf seine Tochter. Diese ergriff die Flucht, der
    Vater eilte ihr aber nach und schoß insgesamt fünf Kugeln auf sie ab, von
    denen drei tödliche Verwundungen hervorriefen. Das Mädchen starb bald
    darauf, nachdem sie noch vernommen worden war. In der Verhandlung trat
    der Angeklagte Haiger mit den schmutzigsten Beschuldigungen gegen seine

  • S.

    Varia. 199

    Töchter auf. Er behauptete, daß nicht er die Mädchen, sondern diese
    ihn verführt hätten. Die Mädchen seien auch gegenseitig
    eifersüchtig gewesen und hätten ihn daran gehindert, eine
    zweite Frau zu nehmen, indem sie versprachen, ihm zu Willen
    zu sein. Die Mitangeklagte Else Haiger bekundete, daß der Vater sie zu
    den ScheuBlichkeiten unter Drohungen gezwungen habe. Er habe erklärt, er
    werde sie erschießen, wenn sie sich widerspenstig zeige. In der Verhandlung
    kam weiter zur Sprache, daß Else Haiger ein Verhältnis mit einem
    jungen Mann angeknüpft hatte, das sie aber auf Befehl des
    Vaters wieder lösen mußte, Aus Verzweiflung machte das Mädchen
    einen Selbstmordversuch. Der Angeklagte Haiger bezeichnete die Angaben
    seiner Tochter als grobe Lügen, sie seien ein Ausfluß der Rache, weil er die
    leichtsinnigen Mädchen fter gezüchtigt habe. Angesichts der Scheußlichkeit
    der Verbrechen des Ångeklagten waren in der Voruntersuchung Zweifel auf-
    getaucht, ob er überhaupt zurechnungsfähig sei. Er wurde daher längere
    Zeit in einer Anstalt auf seinen Geisteszustand hin beobachtet. Diese Be-
    obachtung ergab aber keinerlei strafausschlieBende Momente. Die Sachver-
    ständigen bezeichneten den Angeklagten zwar als psychisch belastet, aber
    durchaus strafrechtlich verantwortlich. Die Geschwornen bejahten bei Haiger
    die Schuldfragen und verneinten ihm mildernde Umstände, während bei der
    Angeklagten Else Haiger die Schuldfragen verneint wurden, so daß diese frei-
    gesprochen wurde. Der Angeklagte Haiger erhielt zehn Jahre Zucht-
    haus und zehn Jahre Ehrverlust. (Aus „Geschlecht und Gesellschaft“,
    Bd. VIII, H. 2, Febr, 1913.)

    „Ein sensationeller MordprozeB in Madrid. Ein Offi-
    zier des Raubmordes und des Inzests beschuldigt. Madrid,
    17. September 1913, Vor dem hiesigen Kriegsgericht kam es gestern
    bei der Verhandlung des Prozesses gegen den Hauptmann Sanchez
    und seine Tochter Luise zu erregten Szenen. Beide sind angeklagt, den
    Rentner Jalon ermordet und den Leichnam in Stücke zerschnit-
    ten zu haben. Gestern nachmittags bogann das Verhör mit Luise Sanchez.
    Es entstand eine tragische Szene, als einer der Beisitzer die Mitangeklagte
    fragte, ob sie sicher sei, daß ihre zwei Kinder von ihrem eigenen
    Vater stammten. Luise Sanchez brach in heftiges Schluchzen aus, stand
    plötzlich auf, warf sich vor dem Vorsitzenden auf die Knie und rief: „Ich
    schwöre, ich bin dessen sicher, nichts ist mir heiliger als meine beiden Kin-
    der; sie sind die Kinder meines Vaters, ich habe niemals von jemand
    anderem als von ihm ein Kind gehabt.“ Auf die Fragen des Staatsanwaltes
    blieb Hauptmann Sanchez bei seinen Unschuldsbeteuerungen und er-
    klärte, Jalon nicht zu kennen, er wisse von dem Verbrechen nur, was die
    Zeitungen davon erzählten; er glaube, daß seine Tochter direkt an
    dem Mord teilgenommen habe im Einverständnis mit Personen, die
    ein Interesse daran hätten, ihn in der Kriegsschule zu ruinieren. Der Staats-
    anwalt verlas darauf seinen Strafantrag, den Sanchez bisweilen unter Tränen
    anhörte, wobei er sich an seinen Verteidiger mit den Worten wandte :
    „Welche Infamie!“ Der Verteidiger erklärte, Sanchez sei wohl der Ur-
    heber eines tatsächlichen Mordes, aber er sei unverantwortlich, es
    handle sich um einen aus Eifersucht entstandenen Wahnsinnsanfall,
    als er gesehen habe, daß seine Tochter den Huldigungen
    seinos glücklichen Rivalen Jalon nachgegeben habe.“

    „Der Lustmord an einem siebenjährigen Mädchen. Aus
    Abbeville, 12, Jänner 1914, wird telegraphiert: Der Vater der Martha

  • S.

    200 Varia.

    Halattre, die dessen sittlichen Verfehlungen zum Opfer gefallen sein soll,
    wurde verhaftet, Außer dem bereits festgenommenen 20jährigen Sohn ist
    auch der 22jührige Sohn verhaftet worden. Den beiden Söhnen wird zur
    Last gelegt, daß sie ihre Schwester Martha und ihre 10jährige Schwester
    Rosa mißbraucht hätten.“

    „Stiefvater und Stieftochter. Vor dem Strafrichter des Bezirks-
    gerichtes Josefstadt, hatte sich gestern der 40jährige Arbeiter Josef K. und
    dessen 30jährige Stieftochter Marie S. wegen Blutschande zu verantworten,
    weil beide seit zehn Jahren ununterbrochen in gemeinsamem Haushalt, wie
    Mann und Frau, miteinander lebten. Dem Verhältnis zwischen Stiefvater und
    Stieftochter sind auch zwei Kinder entsprossen, als deren außerehelicher
    Vater Josef K. in der Matrik eingetragen erscheint. . Die Angeklagte S. gab
    an, daß ihre im Jahre 1902 verstorbene Mutter dreimal verheiratet war, zu-
    letzt mit Josef K., der 15 Jahre jünger war als ihre Mutter, Nach dem
    Tode der Mutter sei sie bald mit ihrem Stiefvater, der ihr schon früher den
    Hof gemacht hatte, ein intimes Verhältnis eingegangen, da sie an ihrem
    Stiefvater eine ordentliche Stütze gefunden hatte. — Richter: Haben Sie
    nicht daran gedacht, daß diese Beziehungen mit Ihrem Stiefvater unerlaubt
    sind? — Angekl.: Ich habe in dem Verhältnis, das noch jetzt andauert,
    nichts Strafbares gesehen. Wenn das Gericht mir jetzt sagen wird, daß ich
    mit meinem Stiefvater nicht zusammenleben darf, werde ich es nicht mehr
    tun. — Die Angeklagte erklärte ferner, daß ihr Stiefvater auch ihr Vormund
    war und daß sie ohne weiteres ihn als den Vater ihrer beiden Kinder an-
    gegeben hatte. Der Richter konstatierte außerdem, daß wiederholt K. vom
    Vormundschaftsgericht aufgefordert wurde, dem illegitimen Verhältnis durch
    eine Heirat ein Ende zu machen, daß jedoch Herr K. erklärte, er könne
    seine Stieftochter nicht heiraten, weil die kirchliche Behörde ihm es nicht
    erlaube. Der staatsanwaltschaftliche Funktionär beantragte die Abtretung des
    Aktes an das Landesgericht wegen des Verdachtes des Verbrechens der
    Verführung zur Unzucht, da die minderjährige Stieftochter, die in der
    Familie des Stiefvaters lebt, letzterem schon wegen dieses ihres Verhältnisses
    ‚anvertraut ist. In Stattgebung dieses Antrages beschloß der Richter, den
    Akt dem Landesgericht abzutreten.“

    „Die Geschichte einerunglücklichen Ehe“ machte kürzlich die
    Runde durch unsere Tagesblätter. Ein hoher Funktionär, der auch im politischen
    Leben eine große Rolle spielt, heiratete im Jahre 1902 die Witwe eines
    befreundeten Fabrikanten, der einen Sohn und zwei Töchter im Alter von
    6 und 16 Jahren hinterlassen hatte. Die Ehe war wegen des leichtsinnigen
    Mannes von Anfang an sehr unglücklich. „Die Differenzen zwischen den Ehe-
    gatten wurden immer ernster, da die Frau den Hofrat angeblich verschiedene
    Male auf einer Untreue ertappte. Diese Unstimmigkeiten wurden später
    noch durch Vorfälle ins Ungemessene gesteigert, die zu einem furchtbaren Vorwurf
    gegen den Hofrat Veranlassung gaben. Der Hofrat behandelte nämlich
    seine Stieftöchter mit besonderer Wärme und es wurde schließlich
    gegen ihn ganz trocken die Beschuldigung erhoben, daß er sich gegenüber einem
    der Mädchen in einer Weise vergangen hatte, die — so wurde behauptet —
    ihn mit dem Gesetze in Konflikt gebracht habe. Bei einem nieder-
    österreichischen Kreisgericht kam es auch zu einer strafgerichtlichen Unter-
    suchung, die aber mit einer Einstellung des Verfahrens endete, (10. Jann. 1914.)*

    „Verhaftungeines blutschänderischen Geschwisterpaares.
    Aus Budapest, 18. Oktober 1913, wird telegraphiert: Der Polizeibe-
    richt meldet heute einen erschütternden Vorfall. Auf eine anonyme Ånzeige

  • S.

    Varia. 201

    wurden die 16jährige Tochter des Neupester Bückermeisters Ma rmorstein
    sowie ihr 20jühriger Bruder verhaftet. Beide hatten sich des Verbrechens
    der Blutschande und des Mordes schuldig gemacht, denn ein von dem
    Mädchen vor wenigen Tagen gebornes Kind wurde von dem Geschwisterpaar
    erwürgt und dessen Leiche im Keller vergraben,“

    „Bruder und Schwester. Ein trauriges Sittenbild entrollte beim
    Bezirksgericht Josefstadt eine Verhandlung, in der der Hilfsarbeiter Josef
    S. wegen Übertretung der Blutschande angeklagt war. Die 22jührige ledige
    Schwester des Angeklagten hatte kürzlich auf der geburtshilflichen Klinik
    einem Kinde das Leben geschenkt, als dessen Vater sie ihren eigenen Bruder
    bezeichnete. Letzterer wurde unter dem Verdachte, an seiner Schwester das
    Verbrechen der Notzucht begangen zu haben, verhaftet und dem Landes-
    gericht eingeliefert, Die Untersuchung in der Riehtung des Verbrechens
    wurde eingestellt und der Akt dem Bezirksgericht Josefstadt übermittelt,
    In der vor dem Bezirksrichter durchgeführten Verhandlung gab Josef S. zu,
    daß er infolge der sich ihm leicht darbietenden Gelegenheit mehrmals mit
    seiner Schwester intimen Verkehr gepfiogen habe, ohne jedoch ihr irgendwie
    Gewalt angetan zu haben. Der Richter verurteilte den Angeklagten unter
    Anrechnung der vierzehntåtigen Untersuchungshaft zu einem Monat stren-
    gen Arrestes.“

    ,Tragische Geschwisterliebe. Ein eigenartiger Straffall beschif-
    tigte am 7. Dezember 1913 das Strafbezirksgericht Josefstadt. Der 21jührige
    Hilfsarbeiter Wenzel S. und seine leibliche um 3 Jahre ältere Schwester
    Anna waren wegen Blutschande angeklagt, weil sio durch vier Jahre, bis
    in die jüngste Zeit, ein intimes Liebesverhültnis miteinander unterhalten
    hatten. Die leibliche Mutter der Geschwister, die jetzt zum zweitenmal ver-
    heiratete Hilfsarbeiterin Franziska P., war wegen Mitschuld an dieser Über-
    tretung angeklagt, weil sie das strüfliche Verhültnis ihrer Kinder geduldet
    haben soll In der gestern durchgeführten Verhandlung erklürte der Ange-
    klagte Wenzel S., daf er bis vor vier Jahren seine Schwester, die auf dem
    Lande in Bóhmen gewohnt habe, nicht gekannt und überhaupt nicht gewufit
    habe, daß seine Mutter noch eine Tochter habe. Als seine Schwester vor
    vier Jahren zu ihrer Mutter zurückkehrte, habe er sich, ohne zu wissen,
    daß das Madchen seine Schwester sei, so heftig in das Müd-
    chen verliebt, daB er dann, als er bereits erfahren hatte, daf sie seine
    Schwester sei, von ihr nicht lassen konnte und mit ihr ein Verhültnis an-
    gefangen habe. Dem Verhältnis sei auch ein Kind entsprossen, das infolge
    Degenerierung nach drei Wochen bereits gestorben sei — Richter (zum An-
    geklagten): Sie sollen auch, als Ihre Mutter, da sie von dem Verhiltnis er-
    fuhr, ihre Schwester wieder naeh Böhmen geschickt hat, der Schwester nach-
    gefahren sein und sie überredet haben, nach Wien zu kommen, — Angekl.:
    Das ist richtig. Tch habe das Müdel so gern gehabt, daB ich ohne
    sie nicht habe leben können. Die angeklagte Schwester gab zu, mit
    ihrem Bruder, den sie noch heute sehr liebe, durch fast vier Jahre
    ein intimes Verhültnis gehabt zu haben. Ihre Mutter habe sie zwar vor der
    Fortsetzung des Verkehrs gewarnt, allein sie habe sich nicht helfen
    können, da sie den Wenzel viel zu gern gehabt habe. Die mit-
    angeklagte Mutter erklürte, zur Zeit, da ihre Tochter vom Lande zurück-
    kehrte, nichts davon gewußt zu haben, daß ihre Kinder miteinander ein Ver-
    hültnis angefangen haben. Als ihr der Verkehr der beiden verdüchtig vor-
    gekommen sei, habe sie ihre Tochter eindringlichst gewarnt und sie, um sie
    von dem Bruder fern zu halten, in ihre Heimat zurückgeschickt. Nach

  • S.

    202 Varia.

    einiger Zeit sei jedoch ihre Tochter infolge Aufforderung ihres Bruders nach
    Wien zurückgekehrt und habe auf ihre Vorstellung, den Verkehr mit dem
    Bruder zu meiden, zur Antwort gegeben, sie müsse sich erschießen, wenn
    sie das Verhältnis mit ihrem Bruder aufgeben müßte, Gemäß dem Antrage
    des staatsanwaltschaftlichen Funktionärs verurteilte der Richter die angeklagten
    Geschwister im Sinne der Anklage zu je vierzehn Tagen Arrest, sprach da-
    gegen die mitangeklagte Mutter wegen Mangels an subjektivem Verschulden frei.“

    „Eine antike Tragödie im Alltagsleben. Paris, Anfang No-
    vember 1913, Eine Tragödie, wie sie mit allen Zufällen und Schrecknissen
    die Dichter des griechischen Dramas nicht anders ersonnen hätten, wurde vor
    dem Pariser Zuchttribunal aufgerollt. Angeklagt waren eine hübsche Brünette
    von sechsundzwanzig Jahren und ihr Komplize, ein junger, blonder Mann,
    der etwa ein Jahr älter sein mochte. Der Gatte der Angeklagten ist gegen-
    wärtig Soldat in einem Jägerregiment zu Fuß, das an der deutschen Grenze
    stationiert ist. Er übermittelte dem Polizeikommissariat des Bezirkes, in dem
    er wohnt, eine ihm zugekommene anonyme Anzeige, daß seine Frau Ehe-
    bruch treibe und bat, daß der Polizeikommissär die Konstatierung des fla-
    granten Delikts vornehme. Diesem Ersuchen wurde Folge geleistet. Der
    Polizeikommissär betrat die Wohnung früh morgens und fand im einzigen
    Bett des Schlafzimmers eine Frau liegen, während ein Mann, sehr notdürftig
    bekleidet, ihm die Tür öffnete. Nachdem der Beamte die Identität der beiden
    konstatiert und sich zurückgezogen hatte, erfahr er durch eine amtliche En-
    quete, daß die beiden Beschuldigten, ohne es zu wissen, Bruder
    und Schwester seien,

    Die Frau war von ihrer Mutter aufgezogen worden und bis zu ihrer
    Verheiratung bei ihr geblieben. Der Mann aber, mit dem sie seit drei Mo-
    naten, seitdem ihr Gatte zum Militärdienst eingeriickt war, ein Liebesver-
    hiiltnis unterhielt, war bei seiner GroBmutter gewesen und hatte seine Mutter
    nur in der Wohnung und zum erstenmal überhaupt gesehen, als er vom Re-
    giment wieder heimgekommen war. Seine Schwester hatte er über-
    haupt nur durch Zufall kennen gelernt, und zwar bei dem Advokaten,
    der die Anerkennung des unehelichen Sohnes durch die Mutter durchführte.
    Auch seine Schwester sei ein uneheliches Kind, aber von einem an-
    deren Vater. Die Mutter habe auch sie anerkennen wollen, so aber, daß
    der Sohn von ihrer Tochter und diese wieder von ihrem Bruder nichts
    wisse. Auf diese Weise hatten sich die beiden bei dem Advokaten, der auf
    Wunsch der Mutter jede Affäre einzeln durchgeführt hatte, getroffen, lieb-
    gewonnen, und er wire zu seiner Maitresse, die sich übrigens
    als unverheiratet ausgegeben habe, gezogen.

    Der Polizeikommissär konnte alle diese Angaben bestätigen. Auch der
    Advokat wurde als Zeuge geführt und er legte die Akten vor, zum Beweis
    der Richtigkeit aller Angaben des Angeklagten, Auf einem Aktenstücke
    stand sogar der Vermerk fiir die Beamten der Kanzlei, auf Verlangen der
    Mutter die beiden Kinder nicht miteinander bekanntzumachen.

    Das Gericht ließ in Anbetracht dieser wirklich auBerordentlichen Um-
    stinde äußerste Milde wälten und wandte für die Angeklagten nur den für
    Ehebrüche geltenden Strafsatz von fünfundzwanzig Frank an. Der Gatte hatte
    aber auch die Ehescheidung verlangt, die gewührt wurde. Der Bruder ver-
    sprach dem Gerichtsprüsidenten, in die Kolonien auszuwandern, um fern von
    seiner Schwester zu leben. Und diese, von ihrem Manne und ihrem unseligen
    Geliebten verlassen, hatte am Schlusse der Verhandlung eine heftige Nervenkrise, *

    Rank,