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S.
Klobenstein
14 Aug 1911
Liebe Maggie
Vor allem drücke ich Ihnen meinen Respekt
dafür aus, daß Sie den Unsinn zu Stande
gebracht haben, Ihren zusammen 150
Jahre alten Eltern analytische Literatur
zur Bekehrung anzuhängen. Die Folgen
müßen Sie sich dann gefallen laßen.Sodann danke ich Ihnen für Ihren aus-
führlichen, inhaltsreichen Brief u meine,
Sie haben jetzt genug Behandlung
u sollen sich durch weiteres Leben,
Lesen u Kämpfen zu einer Persönlichkeit
heranbilden. Die Propaganda soll sich
nicht in den Vordergrund drängen. Wer
anderen soviel erzält, thut es oft, um
es von sich zu thun, um dem Teufel einen
Ersatzmann zu stellen, anstatt ihm
selbst verfallen zu bleiben.Für Ihre liebevolle Charakteristik danke
ich Ihnen sehr u finde Ihre Art, dem phantast-
ischen Unsinn eine harmlose Existenz
zu gestatten, nicht so übel. Im Übrigen –
stehen wir ja alle in Gottes Hand, wie
die Frommen zu sagen pflegen. -
S.
Wir leben hier, wenn es Sie interessirt, auf
einem Hochplateau mit Aussicht auf die
schönsten Dolomiten Tirols, klagen tagsüber
gerne darüber, dass es zu heiß ist, u
freuen uns an kühlen Abenden, schönen
Gewittern u bescheidenen Regengüßen.Im J. 1912 werden wir eine neue
Zeitschrift aktiviren, die alles Medizin-
ische ausschließen und die Anwendung
der Psychoanalyse auf die Geisteswissen-
schaften pflegen soll. Hoffentlich werden
Sie darin reichliche geistige Nahrung
finden.Lassen Sie mich wieder wissen, was Sie
treiben. Von irgend einer Seite
werden Sie mich doch zugänglich finden,
das wissen Sie.Mit herzlichen Grüssen
Ihr
Freud