Hysterische Phantasien und ihre Beziehung zur Bisexualität 1908-001/1908
  • S.

    Eo. Ve

    innerer Notwendigkeit — durch organische Einrichtungen und
    Triebe — zum Leben und sucht inmitten der Fülle des Lebens
    und durch dessen vom Individuum unberechnete Betätigung
    für die Schöpfung zukünftiger Geschlechter zu sorgen? — Wir
    kónnen eine philosophisch voll befriedigende Antwort darauf
    nicht geben, müssen das Eine aber bewundernd gestehen: daB
    sie allein weise und grof ist, doch die Wesen, die sie geschaffen
    — und auch wir nur — Werkzeuge sind in ihrer Hand, die
    sich ihr anvertrauen und ihr folgen sollen, ohne mit ihr zu rechten.

    Hysterische Phantasien und ihre Beziehung
    zur Bisexualität.
    Von Prof. Dr. Sigm. Freud (Wien).

    Allgemein bekannt sind die Wahndichtungen der Paranoiker,
    welche die GroBe und die Leiden des eigenen Ichs zum Inhalt
    haben und in ganz typischen, fast monotonen Formen auf-
    treten. Durch zahlreiche Mitteilungen sind uns ferner die sonder-
    baren Veranstaltungen bekannt geworden, unter denen gewisse
    Perverse ihre sexuelle Befriedigung — in der Idee oder Realität
    — in Szene setzen. Dagegen diirfte es manchen wie eine Neu-
    heit klingen zu erfahren, daB ganz analoge psychische Bildungen
    bei allen Psychoneurosen, speziell bei Hysterie, regelmäßig vor-
    kommen, und daß diese — die sog. hysterischen Phantasien —
    wichtige Beziehungen zur Verursachung der heurofischen Symp-
    tome erkennen lassen.

    Gemeinsame Quelle und normales Vorbild all dieser phan-
    tastischen Schöpfungen sind die sog. Tagträume der Jugend,
    die in der Literatur bereits eine gewisse, obwohl noch nicht zu-
    reichende Beachtung gefunden haben.*) Bei beiden Geschlechtern

    *) Vgl. Breuer u. Freud, Studien über Hysterie, 1895. — P. Janet,
    Névroses et ideés fixes, I. (Les réveries subconscientes.) 1898. — Havelock
    Ellis, Geschlechtstrieb und Schamgefühl (deutsch von Køtscher). 1900. 一
    Freud, Traumdeutung. 1900. — A. Pick, Uber pathologische Tråumerei
    s pe Beziehungen zur Hysterie, Jahrb. f. Psychiatrie und Neurologie.
    XI 96.

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    ix ⑨⑧ 一

    vielleicht gleich häufig, scheinen sie bei Mädchen und Frauen
    durchweg erotischer, bei Männern erotischer oder ehrgeiziger
    Natur zu sein. Doch darf man die Bedeutung des erotischen
    Moments auch bei Månnern nicht in die zweite Linie riicken
    wollen; bei nåherem Eingehen in den Tagtraum des Mannes er-
    gibt sich gewöhnlich, daß all diese Heldentaten nur verrichtet,
    alle Erfolge nur errungen werden, um einem Weib zu gefallen
    ‘und von ihr anderen Männern vorgezogen zu werden.) Diese
    Phantasien sind Wunschbefriedigungen, aus der Entbehrung und
    der Sehnsucht hervorgegangen; sie führen den Namen ,,Tag-
    träume“ mit Recht, denn sie geben den Schlüssel zum Ver-
    ständnis der michtlichen Träume, in denen nichts anderes als
    solche komplizierte, entstellte und von der bewuBten psychischen
    Instanz miBverstandene Tagesphantasien den Kern der Traum-

    y _ bildung herstellen.**)

    Diese Tagträume werden mit großem Interesse besetzt,
    sorgfältig gepflegt und meist sehr schamhaft behütet, als ob
    sie zu den intimsten Gütern der Persönlichkeit zählten. Auf
    der Straße erkennt man aber leicht den im Tagtraum Be-
    griffenen an einem plötzlichen, wie abwesenden Lächeln, am
    Selbstgespräch oder an der laufartigen Beschleunigung des Gan-
    ges, womit er den Höhepunkt der erträumten Situation bezeichnet.
    — Alle hysterischen Anfälle, die ich bisher untersuchen
    konnte, erwiesen sich nun als solche unwillkürlichhereinbrechende
    Tagträume. Die Beobachtung läßt nämlich keinen Zweifel dar-
    über, daß es solche Phantasien ebensowohl unbewußt gibt, wie
    bewußt, und sobald dieselben zu unbewußten geworden sind,
    können sie auch pathogen werden, d. h. sich in Symptomen und
    Anfällen ausdrücken. Unter günstigen Umständen kann man
    eine solche unbewußte Phantasie noch mit dem Bewußtsein
    erhaschen. Eine meiner Patientinnen, die ich auf ihre Phantasien
    aufmerksam gemacht hatte, erzählte mir, sie habe sich einmal
    auf der Straße plötzlich in Tränen gefunden, und bei raschem
    Besinnen, worüber sie eigentlich weine, sei sie der Phantasie
    habhaft geworden, daß sie mit einem stadtbekannten (ihr aber

    : persönlich unbekannten) Klaviervirtuosen ein zårtliches Verhált-
    nis eingegangen sei, ein Kind von ihm bekommen habe (sie war
    kinderlos), und dann mit dem Kinde von ihm im Elend verlassen

    +) Ähnlich urteilt hierüber 11. Ellis, 1. c. p. 185.
    **) Vgl, Freud, Traumdeutung, p. 288 u. f.

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    xl ag rma

    worden sei. An dieser Stelle des Romans brachen ihre
    Tränen aus.

    Die unbewuBten Phantasien sind entweder von jeher unbe-
    wuBt gewesen, im UnbewuBten gebildet worden oder, was
    der håufigere Fall ist, sie waren einmal bewuBte Phantasien,
    Tagtråume, und sind dann mit Absicht vergessen worden, durch
    die „Verdrängung“ ins UnbewuBte geraten. Ihr Inhalt ist dann
    entweder der nàmliche geblieben, oder er hat Abánderungen er-
    fahren, so daß die jetzt unbewuBte Phantasie einen Abkómmling
    der einst bewuBten darstellt. Die unbewuDte Phantasie steht
    nun in einer sehr wichtigen Beziehung zum Sexualleben der Per-
    son; sie ist nàmlich identisch mit der Phantasie, welche der-
    selben während einer Periode von Masturbation zur sexuellen Be-
    friedigung gedienthat. Der masturbatorische (im weitesten Sinne:
    onanistische) Akt setzte sich damals aus zwei Stücken zusam-
    men, aus der Hervorrufung der Phantasie und aus der aktiven
    Leistung zur Selbstbefriedigung auf der Hohe derselben. Diese
    Zusammensetzung ist bekanntlich selbst eine Verlotung.*) Ur-
    sprünglich war die Aktion eine rein autoerotische Vornahme
    zur Lustgewinnung von einer bestimmten, erogen zu nennenden
    Kôrperstelle. Später verschmolz diese Aktion mit einer Wunsch-
    vorstellung aus dem Kreise der Objektliebe und diente zur
    teilweisen Realisierung der Situation, in welcher diese Phantasie
    gipfelte. Wenn dann die Person auf diese Art der masturbato-
    risch-phantastischen Befriedigung verzichtet, so wird die Aktion
    unterlassen, die Phantasie aber wird aus einer bewuBten zu einer
    unbewuBten. Tritt keine andere Weise der sexuellen Befriedi-
    gung ein, verbleibt die Person in der Abstinenz und gelingt
    es ihr nicht, ihre Libido zu sublimieren, d. h. die sexuelle Er-
    regung auf ein hóheres Ziel abzulenken, so ist jetzt die Bedin-
    gung dafür gegeben, daß die unbewuBte Phantasie aufgefrischt
    werde, wuchere und sich mit der ganzen Macht des Liebesbedürf-
    nisses wenigstens in einem Stück ihres Inhaltes als Krankheits-
    symptom durchsetze.

    Für eine ganze Reihe von hysterischen Symptomen sind
    solcher Art die unbewuBten Phantasien die nächsten psychischen
    Vorstufen. Die hysterischen Symptome sind nichts anderes als
    die durch ,,Konversion* zur Darstellung gebrachten unbewuBten

    *) Vgl. Freud, Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. 1905.

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    Phantasien, und insofern es somatische Symptome sind, werden
    sie häufig genug aus dem Kreise der nåmlichen Sexualempfin-
    dungen und motorischen Innervationen entnommen, welche ur-
    spriinglich die damals noch bewuBte Phantasie begleitet haben.
    Auf diese Weise wird die Onanicentwohnung eigentlich rück-
    gingig gemacht, und das Endziel des ganzen pathologischen
    Vorganges, die Herstellung der seinerzeitigen primären Sexual-
    befriedigung, wird dabei zwar niemals vollkommen, aber immer
    in einer Art von Annäherung erreicht.

    Das Interesse desjenigen, der die Hysterie studiert, wendet
    sich alsbald von den Symptomen derselben ab und den Phan-
    tasien zu, aus welchen erstere hervorgehen. Die Technik der
    Psychoanalyse gestattet es, von den Symptomen aus diese un-
    bewuBten Phantasien zunächst zu erraten und dann im Kranken
    bewuBt werden zu lassen. Auf diesem Wege ist nun gefunden
    worden, daB die unbewuBten Phantasien der Hysteriker den be-
    wuBt durchgeführten Befriedigungssituationen der Perversen
    inhaltlich völlig entsprechen, und wenn man um Beispiele solcher
    Art verlegen ist, braucht man sich nur an die welthistorischen
    Veranstaltungen der römischen Cäsaren zu erinnern, deren Toll-
    heit natürlich nur durch die uneingeschränkte Machtfülle der
    Phantasiebildner bedingt ist. Die Wahnbildungen der Paranoiker
    sind ebensolche, aber unmittelbar bewußt gewordene Phan-
    tasien, die von der masochistisch-sadistischen Komponente des
    Sexualtriebs getragen werden und gleichfalls in gewissen
    unbewußten Phantasien der Hysterischen ihre vollen Gegen-
    stücke finden können. Bekannt ist übrigens der auch praktisch
    bedeutsame Fall, daß Hysteriker ihre Phantasien nicht als Symp-
    tome, sondern in bewußter Realisierung zum Ausdruck bringen
    und somit Attentate, Mißhandlungen, sexuelle Aggressionen fin-
    gieren und in Szene setzen.

    Alles, was man über die Sexualität der Psychoneurotiker
    erfahren kann, wird auf diesem Wege, der psychoanalytischen
    Untersuchung, der von den aufdringlichen Symptomen zu den
    verborgenen unbewußten Phantasien führt, ermittelt, darunter
    also auch das Faktum, dessen Mitteilung in den Vordergrund "
    dieser kleinen vorläufigen Veröffentlichung gerückt werden soll.

    Wahrscheinlich infolge der Schwierigkeiten, die dem Be-
    streben der unbewußten Phantasien, sich Ausdruck zu verschaffen,
    im Wege stehen, ist das Verhältnis der Phantasien zu den Symp-

  • S.

    —31.-

    tomen kein einfaches, sondern ein mehrfach kompliziertes.*)
    In der Regel, d. h. bei voller Entwicklung und nach längerem
    Bestande der Neurose entspricht ein Symptom nicht einer ein-
    zigen unbewuBten Phantasie, sondern einer Mehrzahl von sol-
    chen, und zwar micht in willkiirlicher Weise, sondern in gesetz-
    mäßiger Zusammensetzung. Zu Beginn des Krankheitsfalles
    werden wohl nicht alle diese Komplikationen entwickelt sein.

    Dem allgemeinen Interesse zuliebe überschreite ich hier
    den Zusammenhang dieser Mitteilung und fiige eine Reihe von
    Formeln ein, die sich bemühen, das Wesen der hysterischen
    Symptome fortschreitend zu erschópfen. Sie widersprechen ein-
    ander nicht, sondern entsprechen teils vollständigeren und schår-
    feren Fassungen, teils der Anwendung verschiedener Gesichts-
    punkte.

    1. Das hysterische Symptom ist das Erinnerungssymbol ge-
    wisser wirksamer (traumatischer) Eindrücke und Erlebnisse.

    2. Das hysterische Symptom ist der durch „Konversion“
    erzeugte Ersatz für die assoziative Wiederkehr dieser trauma-
    tischen Erlebnisse.

    3. Das hysterische Symptom ist — wie auch andere psy-
    chische Bildungen — Ausdruck einer Wunscherfiillung.

    4. Das hysterische Symptom ist die Realisierung einer der
    Wunscherfiillung dienenden, unbewuBten Phantasie.

    5. Das hysterische Symptom dient der sexuellen Befriedi-
    gung und stellt einen Teil des Sexuallebens der Person dar
    (entsprechend einem der Komponenten ihres Sexualtriebes).

    6. Das hysterische Symptom entspricht der Wiederkehr einer
    . Weise der Sexualbefriedigung, die im infantilen Leben real ge-
    wesen und seither verdrångt worden ist.

    7. Das hysterische Symptom entsteht als Kompromif aus
    zwei gegensitzlichen Affekt- oder Triebregungen, von denen die
    eine einen Partialtrieb oder eine Komponente der Sexualkon-
    stitution zum Ausdruck zu bringen, die andere dieselbe zu
    unterdriicken bemiiht ist.

    8. Das hysterische Symptom kann die Vertretung verschie-
    dener unbewuBter, nicht sexueller Regungen übernehmen, einer
    sexuellen Bedeutung aber nicht entbehren.

    *) Das nåmliche gilt får die Beziehung zwischen den „latenten* Traum-
    gedanken und den Elementen des ,manifesten“ Trauminhaltes. S. den Abschnitt
    über die ,Traumarbeit* in des Verf, „Traumdeutung“,

  • S.

    cu ng i

    Unter diesen verschiedenen Bestimmungen ist es die
    siebente, welche das Wesen des hysterischen Symptoms als
    Realisierung einer unbewuBten Phantasie am erschópfendsten
    zum Ausdruck bringt, und mit der achten die Bedeutung des
    sexuellen Moments in richtiger Weise würdigt. Manche der
    vorhergehenden Formeln sind als Vorstufen in dieser Formel
    enthalten.

    Infolge dieses Verhältnisses zwischen Symptomen und Phan-
    tasien gelingt es unschwer, von der Psychoanalyse der Symp-
    tome zur Kenntnis der das Individuum beherrschenden Kom-
    ponenten des Sexualtriebes zu gelangen, wie ich es in den „Drei
    Abhandlungen zur Sexualtheorie“ ausgeführt habe. Diese Unter-
    suchung ergibt aber für manche Fille ein unerwartetes Resultat.
    Sie zeigt, daB für viele Symptome die Auflósung durch eine
    unbewuBte sexuelle Phantasie, oder durch eine Reihe von Phan-
    tasien, von denen eine, die bedeutsamste und ursprünglichste,
    sexueller Natur ist, nicht genügt, sondern daB man zur Lösung
    des Symptoms zweier sexueller Phantasien bedarf, von denen
    die eine minnlichen, die andere weiblichen Charakter hat, so
    daß eine dieser Phantasien einer homosexuellen Regung ent-
    springt. Der in Formel 7 ausgesprochene Satz wird durch diese
    Neuheit nicht berührt, so daB ein hysterisches Symptom not-
    wendigerweise einem Kompromif zwischen einer libidinôsen
    und einer Verdringungsregung entspricht, nebstbei aber einer
    Vereinigung zweier libidinóser Phantasien von entgegengesetz-
    tem Geschlechtscharakter entsprechen kann.

    Ich enthalte mich Beispiele für diesen Satz zu geben. Die
    Erfahrung hat mich gelehrt, daB kurze, zu einem Extrakt zu-
    sammengedrüngte Analysen niemals den beweisenden Eindruck
    machen kónnen, wegen dessen man sie herangezogen hat. Die
    Mitteilung voll analysierter Krankheitsfålle muß aber für einen
    anderen Ort aufgespart werden.

    Ich begnüge mich also damit, den Satz aufzustellen und
    seine Bedeutung zu erláutern:

    9. Ein hysterisches Symptom ist der Ausdruck einerseits
    einer männlichen, anderseits einer weiblichen, unbewuBten
    sexuellen Phantasie.

    Ich bemerke ausdrücklich, daß ich diesem Satze eine åhn-
    liche Allgemeingiiltigkeit nicht zusprechen kann, wie ich sie
    für die anderen Formeln in Anspruch genommen habe. Er trifft,

  • S.

    k Gb

    soviel ich sehen kann, weder fiir alle Symptome eines Falles,
    noch fiir alle Fille zu. Es ist im Gegenteile nicht schwer,
    Fille aufzuzeigen, bei denen die entgegengesetztgeschlechtlichen
    Regungen gesonderten symptomatischen Ausdruck gefunden
    haben, so daß sich die Symptome der Hetero- und der Homo-
    sexualitit so scharf von einander scheiden lassen, wie die hinter
    ihnen verborgenen Phantasien. Doch ist das in der neunten
    Formel behauptete Verhältnis häufig genug, und wo es sich
    findet, bedeutsam genug, um eine besondere Hervorhebung zu
    verdienen. Es scheint mir die höchste Stufe der Kompliziert-
    heit, zu der sich die Determinierung eines hysterischen Symp-
    toms erheben kann, zu bedeuten, und ist also nur bei langem
    Bestande einer Neurose und bei großer Organisationsarbeit
    innerhalb derselben zu erwarten.*)

    Die in immerhin zahlreichen Fällen nachweisbare bisexuelle
    Bedeutung hysterischer Symptome ist gewiß ein interessanter
    Beleg für die von mir aufgestellte Behauptung**), daß die suppo-
    nierte bisexuelle Anlage des Menschen sich bei den Psycho-
    neurotikern durch Psychoanalyse besonders deutlich erkennen
    låBt. Ein durchaus analoger Vorgang aus dem nämlichen Ge-
    biete ist es, wenn der Masturbant in seinen bewußten Phan-
    tasien sich sowohl in den Mann, als auch in das Weib der vor-
    gestellten Situation einzufühlen versucht, und weitere Gegen-
    stücke zeigen gewisse hysterische Anfälle, in denen die Kranke
    gleichzeitig beide Rollen der zugrundeliegenden sexuellen Phan-
    tasie spielt, also z. B., wie in einem Falle meiner Beobachtung,
    mit der einen Hand das Gewand an den Leib preßt (als Weib),
    mit der anderen es abzureißen sucht (als Mann). Diese wider-
    spruchsvolle Gleichzeitigkeit bedingt zum guten Teile die Un-
    verständlichkeit der doch sonst im Anfall so plastisch darge-
    stellten Situation und eignet sich also vortrefflich zur Verhül-
    lung der wirksamen unbewußten Phantasie.

    Bei der psychoanalytischen Behandlung ist es sehr wichtig,
    daß man auf die bisexuelle Bedeutung eines Symptoms vor-
    bereitet sei. Man braucht sich dann nicht zu verwundern und

    *( J. Sadger, der kürzlich den in Rede stehenden Satz durch eigene
    Psychoanalysen selbständig aufgefunden hat (Die Bedeutung der psycho-analy-
    tischen Methode nach Freud, Centralbl. f. Nerv. u. Psych. Nr. 229, 1907)
    tritt allerdings fiir dessen allgemeine Gültigkeit ein.

    *#) Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie I.

  • S.

    hob —

    nicht irre zu werden, wenn ein Symptom anscheinend unge-
    mindert fortbesteht, obwohl man die eine seiner sexuellen Be-
    deutungen bereits gelöst hat. Es stützt sich dann noch auf
    die vielleicht nicht vermutete entgegengesetzt-geschlechtliche.
    Auch kann man bei der Behandlung solcher Fålle beobachten,
    wie der Kranke sich der Bequemlichkeit bedient, wåhrend der
    Analyse der einen sexuellen Bedeutung mit seinen Einfållen
    fortwåhrend in das Gebiet der kontråren Bedeutung, wie auf
    ein benachbartes Geleise, auszuweichen.

    Bemerkungen zur Nomenklatur der

    Sexualwissenschaft.

    Von Dr. med. Alfred Kind.
    [Alle Rechte vorbehalten.]

    Nomenklaturen sind meistens zerplittert, auch in den am
    sorgiältigsten gepflegten Disziplinen. In gewissem Sinne ist das
    sogar ein Anzeichen inneren Lebens, das nur toten Materien
    fehlt, wie etwa der lateinischen Grammatik. Nur neigen alle Be-
    griffe, die von ihrem Urheber nicht ganz fest gefugt wurden, zur
    Verwilderung, sobald sie, gleich Pflanzen in fremdem Klima, in
    der Ideenwelt eines andern Individuums Wurzel schlagen sollen.
    Die Habanastaude gibt in der Pfalz einen bösen Knaster, Auch
    das geschieht, daß die umläufigen Begriffe unmerklich, wie
    -Münzen, ihre ursprüngliche Prägung verschleifen; da wäre das
    gänzliche Einziehen am Platze. Andererseits kommen schwam-
    mige Definitionen vor, die sich wie weicher Ton zerkneten lassen
    und daher äußerst beliebt sind. Das Etikettenkleben ist ein
    Vergnügen, in dem sich mancher selbst dann nicht stören läßt,
    wenn man ihn aufmerksam macht, daß er vergaß, den Inhalt
    zu füllen,

    Derartige „Unstimmigkeiten“ kommen in der Sexual-
    wissenschaft natürlich nicht vor. Die psychologischste aller
    Forschungen lotet in den purpurnen Tiefen der Seele mit so
    anerkannter Vorsicht, daß ich mit Horaz sprechen sollte: favete
    Minguis! Wenn ich mich dennoch erkühne, die Diogeneslaterne
    auf den Markt zu tragen, so ist dafür nur meine eingeborene

  • S.

    »sp» Unter redaktioneller Mitwirkung von | ey
    Dr. Friedr. Krauss, Wien una Dr. Herm. Rohleder, Leipzig ·
    fu herausgegeben von | い |
    > Dr. Magnus Hirschiel. @~ —

    Jahrgang + Mk. ⑧ 一 Jährlich ⑫ Hefte Inserate -X·

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    + “Über Sexualwissenschaft ssz USE
    Me Programmartikel von Dr. Magnus Hirschfeld. » 9 -.s
    » - Merkwürdigkeiten im Sexualleben der Pflanzen .s ss
    Von Professor Dr. Max Katte-Berlin. »- .»»- НА ‏הדשל‎

    Bemerkungen zur. ‚Nomenklatur der | Sexualwissenschaft |
    Von Dr. med. Alfred Kind-Berlin. — | s NERO

    Stellen aus Friedrich Nietzsche's Werken über Uranismus, ,
    | _ Homosexualität und Verwandtes 。 — .;.:

    « Von Dr. med, L. S. A. M. von Rômer-Helder. -"
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