• S.

    PROF. DR. FREUD
    WIEN IX, BERGGASSE 19

    5 Nov 20

    Lieber Herr Doktor

    Brief u Referat vom 31/X erhalten. 
    Feigenbaum spricht nächste Woche im Verein. 
    Sein Referat, das Sie ja selbst gutheißen, 
    ist gewiß berechtigt, aber ich werde ihn 
    doch um Abänderungen bitten. Es ist zu 
    gereizt nicht kühl überlegen genug u 
    Herr Dr. Kl. ist doch nicht so wichtig, daß 
    man sich so sehr über ihn ärgern müßte. 
    Bl. ist aber die verkörperte Ambivalenz 
    nach wie vor, nichts Neues darüber zu 
    sagen.

    Mein Auftreten als Sachverständiger im 
    Prozeß über (nicht gegen) Wagner Jauregg 
    bedeutete auch nicht gerade den Beginn 
    einer neuen ψα Aera für Wien. Am 
    ersten Tage der Verhandlg, da ich anwesend 
    war, verhielten sich die Herren Gegner 
    zuckersüß, meine Abwesenheit am zweiten 
    Tag benützten sie dazu, um öffentlich 
    die alten giftigen Lügen gegen die 
    ΨA vorzubringen.  Ich habe weder selbst 
    reagirt noch eine Reaktion von anderer 
    Seite zugelassen. Dagegen hat Stekel 
    unlängst die Analyse in einem Vortrag 
    in die Gesellsch. d. Ärzte gebracht und 
    Erfolg damit gehabt. St. ist der Analyt-
    iker, den Wien zu haben verdient.

  • S.

    Unlängst wurde eine mythische Persönlichkeit 
    aus London veranlaßt mich zu konsultiren. 
    Er lehnte jede Behandlg ab es wird mit ihm 
    auch nicht viel zu machen sein (Eine noch 
    nicht recht durchgedrungene Paranoia). Aber 
    als die ihn begleitende Dame den Namen 
    eines Arztes in Zürich wissen wollte, wohin 
    sie sich begeben werden, nannte ich Sie.
    Vielleicht bekom̄en Sie ihn doch noch 
    zu Gesicht.

    Mit herzlichen Grüßen für 
    Sie u Ihre Frau. Ihr ergebener
    Freud