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    DR. OTTO RANK
    WIEN, am  26. X. 1923
    I. GRÜNANGERGASSE 3-5
    TELEPHON 73.309  

    Lieber Herr Professor,

    Es ist für mich sehr schwer, zu Ihrem gegenwärtigen Standpunkt in der Press-Angelegenheit in der Weise Stellung zu nehmen, wie Sie es in Ihrem Brief vorschlagen. Natürlich wäre es einfacher, die Sache besprechen zu können, aber ich glaube auch, daß Ihr subjektives Wohlbefinden vorgeht - übrigens die ganze Geschichte natürlich gar nicht so dringend ist wie sie Jones auf einmal macht. Für mich handelte es sich nur darum, was ich ihm jetzt antworten sollte und ich will Ihnen vielleicht kurz sagen, was es gewesen wäre, wenn Sie jetzt keine Stellung genommen hätten; Sie werden daraus am besten ersehen, worin die Schwierigkeiten für mich liegen.

    Ich würde Jones schreiben:

    1) Nicht nur die Press will leben, sondern auch der Verlag und die Bewegung. Bis jetzt hat die Press Verlag und Bewegung nur gehemmt.

    Kürzlich haben amerikanische Verleger (Jelliffe, Brentanos, andere durch Ihren Neffen) sich an den Verlag gewendet, die amerikanischen Übersetzungsrechte

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    zu erwerben. Wenn Sie [sic] auf unsere Bedingungen - materieller und ideeller Art (Über¬setzung etc.) eingehen, sieht der Verlag gar keinen Grund, diese Einnahmequelle für sich und die Möglichkeit der Förde¬rung der Bewegung ungenützt zu lassen. Die Press mag sich im freien Wettbewerb auch beteiligen.

    Jones erwähnt in seinem langen Brief an mich Verträge, die der Verlag mit der Press gemacht hat; ich weiß nicht, was er damit meint, außer Ihren Büchern, denn sonst ist bisher kein Vertrag zustandekommen, obwohl s[einer]z[eit] (vor circa 1 Jahr) Rickman scheinbar an alle Autoren seine Entwürfe geschickt hat (Abraham, Ferenczi, Reik, mich, etc.).

    Was die Verträge über Ihre Bücher betrifft, so ist es z.B. bis heute nicht möglich gewesen, den Vertrag über die Vorlesungen von der Press zu bekommen; von Geld natürlich noch weniger Spur.

    Der Verlag ist also frei, jeden Übersetzungsantrag eines amerikanischen Verlegers anzunehmen und er wird davon im ausgiebigsten Maße Gebrauch zu machen, ohne sich dabei um die Press, d.h. um ihr Gejammer zu kümmern, das auch tatsächlich keine Bedeutung hat.

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    2) Ich als Autor wiederhole meine früheren Äußerungen, daß ich mich absolut in keiner Weise an die Press gebunden erachte und frei über das englische Übersetzungsrecht verfüge, da ich mich durch die Press, bzw. Jones, der direkt amerikan. Übersetzun¬gen von mir verhindert hat, um sie im Englischen dann nicht herauszubringen, schon genügend geschädigt erachte. (Der "Künstler" wird bereits übersetzt und für das "Inzestmotiv" habe ich zwei verschiedene Übersetzungsanträge.)

    3) Bezüglich der anderen Autoren des Verlages kann ich natür¬lich allein nicht verfügen, da die Rechte geteilt sind. Wenn mich ein Autor um Rat fragen sollte, könnte ich ihm natürli¬cherweise ehrlich nicht anders raten als mir selbst. Wenn der Autor trotzdem aus irgendwelchen Gründen die Press vorziehen sollte, so wird der Verlag natürlich nichts dagegen einzuwen¬den haben, wird aber darauf bestehen müssen, die Press rein geschäftlich zu behandeln, d.h. von ihr entsprechende Bezahlung sowie Einhaltung eines bestimmten Termins zu verlangen.

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    4) Praktisch steht die Sache aber so, daß es der Press - und wie ich sehr gut weiß - auch allen andern Verlegern hauptsächlich um Ihre Werke zu tun ist. D.h. aber wenn der Verlag Übersetzungen anderer Autoren in Amerika propagieren will, so müßte er dem betreffenden Verleger auch das eine oder andere Ihrer Bücher anbieten oder in Aussicht stellen können. (Das war ja immer, auch bei den deutschen Verlegern so.) Für den Verlag ist es nun ganz gleich, ob Sie die amerikanischen Rechte Ihrer Bücher in Bausch und Bogen der Press oder Ihrem Neffen übertragen: dem Verlag bleibt in keinem Fall ein Verfügungsrecht übrig, mit dem er andere Verleger sozusagen belohnen könnte. Ich bin also als Verlagsleiter gewissermaßen desinteressiert, aber vielleicht darum eher in der Lage, ein objectives Urteil abzugeben. Ich glaube aber, daß gar kein Zweifel sein kann, daß die Entscheidung zu Gunsten Ihres Neffen ausfallen muß. Ob Sie trotzdem der Press noch eine Gelegenheit gewähren wollen, liegt wirklich ganz bei Ihnen - der Verlag und ich tun es nicht mehr.

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