• S.

    PROF. DR. FREUD.   WIEN IX., BERGGASSE 19

    21. 6. 23.

    Dear Dr Blumgart

    Herzlichen Dank für Ihren 
    Brief!  Ich bin ganz ein-
    verstanden damit, dass Sie 
    trotz unseres Abratens Ihr 
    Glück bei Alice gefunden 
    haben sollen. War es doch 
    Ihr eigenster Entschluß und 
    Ihre Neigung.

    Mit Ruth befreunde ich 
    mich immer mehr. Sie kom̄t 
    gut vorwärts in ihrer Ana-
    lyse u wird, ich hoffe es, so 
    auch mit der Zeit den richtigen 
    Ausweg aus ihrem Konflikt 
    finden. Ich bestätige Ihnen 
    gerne, daß alles Gute, was 
    Sie mir von ihr und Ihrem 
    Bruder H. erzält haben, 
    im vollem Umfang zutrifft.

    Da Sie von meiner Operation 
    wissen, will ich Ihnen sichere Aus-
    kunft darüber geben. Ich mag 
    die Bedeutung der Sache über-
    schätzt haben, als ich Brill

  • S.

    darüber schrieb, war auch vom 
    Operateur nicht genügend auf-
    geklärt worden. Es war eine 
    Leukoplakie im Gaumen, 
    die entfernt wurde, ehe sie 
    degenerirt oder Drüsen infizirt 
    waren. Es ist alles glatt geheilt 
    u so meint er (Hajek) jetzt, 
    daß ich wahrscheinlich doch an 
    etwas anderem zu Grunde 
    gehen werde.  Ich bin natürlich 
    nicht verzagt u habe an Shaw’s 
    Mahnung nicht vergessen:

    Dont try to live forever, you 
    wont succeed.

    Näher geht mir, daß ich in 
    diesen letzten Tagen meinen  
    liebten Enkel, einen reiz-
    enden Jungen von 4½ J an 
    Miliartuberk. verloren 
    habe. Das ist eine Wunde, 
    die nicht heilt.

    Mit herzlichen Wünschen
    für Sie u die Ihrigen
    Ihr 
    Freud