• S.

    PROF. DR. FREUD  
    WIEN, IX., BERGGASSE 19.

    28. XII. 1928

    Lieber Herr Doktor

    Ihr Schreiben hat mich wirklich sehr 
    betrübt und mir große Verlegen-
    heiten gebracht. Es wird mir nicht leicht 
    zu antworten. Schalten wir vor allem 
    die eine Lösung aus, dass Sie die Re-
    daktion niederlegen. Ich bin wie alle 
    anderen von der Trefflichkeit Ihrer 
    Leistungen und der Unersetzlichkeit 
    Ihrer Person überzeugt. Auch schwanke 
    ich keinen Augenblick in der Entscheid-
    ung, auf welcher Seite die psychische 
    Unstetigkeit zu suchen ist, die zu 
    solcher Unverträglichkeit geführt hat. 
    Wenn ich aber Storfer zu mir kommen 
    lasse um ihm zu sagen, was ich 
    denke, bin ich in einer sehr unvor-
    teilhaften Situation. Ich scheine die 
    eine Partei genommen zu haben, 
    ohne die andere anzuhören und 
    bin, weil nicht informirt, wehrlos 
    gegen seine wahrscheinlich Sie belast-
    ende Darstellung. Der Ausgang einer 
    solchen Unterredung würde kein 
    anderer sein, als Storfer’s sofortige 
    Demission (sofortige Demission) mit der 
    Fassade eines erlittenen Unrechts, 
    und das dürfte grade das sein, was 
    er erreichen will. Ich stelle mir vor, 
    daß er die schlechte finanzielle 
    Situation des Verlags in seinem 
    überspannten Ehrgeiz nicht verträgt 
    und einen Abgang sucht. Auch auch 
    sein Ausscheiden bringt den Verlag 
    in eine böse Lage.

  • S.

    Es ist möglich, dass Ihr grober Brief keine 
    schlechte Wirkung gehabt hat. Storfer 
    hat bis jetzt nicht verlangt mich zu 
    sprechen. Ich meine, solange er sich 
    nicht rührt, sollte ich auch nichts unter-
    nehmen. Ich gebe die Erwartung noch 
    nicht auf, dass er sich noch besinnen 
    wird, und hoffe, daß Sie dann es nicht 
    darauf anlegen werden den bedauer-
    lichen Konflikt weiter zu verfolgen. 
    Im Interesse der so schwer zu führenden 
    Sache müßen wir uns alle zu weit-
    gehender Toleranz entschließen.

    Was Wälder damit zu thun hat, 
    verstehe ich nicht; seine Aufnahme in 
    den Verlag geschah über Storfer‘s 
    ausdrücklichen Wunsch.

    Lassen Sie mich mit dem Ausdruck 
    der Befriedigung darüber schließen, 
    daß es Ihrer Frau nach soviel 
    Wechselfällen endlich gut geht.

    Herzlich
    Ihr
    Freud