• S.

    PROF. DR. FREUD  WIEN, IX., BERGGASSE 19.

    28.3.12.

    Verehrter Herr Kollege

    Jedesmal, wenn ich von der ΨΑ in Ihrer 
    Darstellung lese, gefällt mir die Sache 
    von Neuem besser. Sie ist dann wie 
    verwandelt und verschönt und ich erkenne  
    im Feiertagsgewande kaum die 
    Magd wieder, die mir die häuslichen 
    Geschäfte besorgt. Für solche Wirkung 
    bin ich auch Ihrer letzten Sendung 
    dankbar.

    Imago ist heute erschienen u rechnet 
    auf Beiträge von Ihrer Seite. Ich bin 
    neugierig, ob der Erfolg der neuen 
    Unternehmung ein anderer sein 
    wird als nun auch die Vertreter 
    der anderen Wissenschaften gegen 
    uns aufzubringen. der nächste Erfolg 
    wahrscheinlich, hoffentlich nicht der end-
    giltige. 

    Es thut mir leid, daß Sie noch Grund 
    zur Sorge um Ihre kleine Tochter 
    haben. Die Differentialdiagnosen
    ist so unsicher, wie Sie ja besser wissen 
    als ich. Die Einzelheiten sprechen 

  • S.

    ja nicht für Hysterie, aber man kann doch nie 
    wissen.

    Unser heuriger Kongreß ist durch die 
    Berufung Jung’s New York in 
    Frage gestellt. Sie werden ihn gewiß 
    dort sehen. Es ist vielleicht besser, wenn 
    wir in längeren Zeitrahmen zusam̄en-
    treffen; wir haben einander dann 
    mehr zu sagen. 

    In meinen Arbeiten über Religions-
    psychologie bin ich unterwegs bei der 
    Psychologie der der Primitiven aufge-
    halten worden. Imago wird in diesem 
    Jahrgang noch zwei Aufsätze von 
    mir bringen: Das Tabu und die 
    Ambivalenz, und die Magie und die All-
    macht der Gedanken. Ein Aufsatz über 
    die Infantile Wiederkehr des Totemismus 
    wird wahrscheinlich diese Arbeiten 
    abschließen. 

    Ich grüße Sie herzlich u empfehle 
    mich Ihrer freundlichen Erinnerung 
    Ihr
    Freud