• S.

    PROF. DR. FREUD   WIEN IX., BERGGASSE 19

    17. 5. 14

    Verehrter Herr Kollege

    Nach der Lektüre Ihres 
    letzten Aufsatzes über 
    Traumdeutung im J. of abn. 
    psych. fühle ich mich gedrängt 
    Ihnen wieder zu danken. 
    Ich frage mich aber auch, 
    warum andere diese ein-
    fachen Fragen nicht ebenso 
    zu lösen wissen?  Es kann 
    doch nur an den Motiven 
    gelegen sein, die Sie ja 
    auch andeuten.

    Ich theile gewiß den großen 
    Respekt nicht, den Sie den 
    Theorien Adlers bezeugen. 
    Sie scheinen mir den Verlust 
    der Traumdeutung und 
    der Lehre vom Unbewußten 
    nicht wert zu sein.  Was sie 

  • S.

    verleugnen, ist für sie charakt-
    eristischer, als was sie behaupten; 
    mit einem großen Teil des 
    Letzteren sind wir ja alle 
    einverstanden, nur kom̄t 
    es für die Auflösung der 
    Neurosen usw nicht in Be-
    tracht.

    Ich bin gleichzeitig so frei, 
    Ihnen einen Aufsatz zuzu-
    schicken, den Sie bereits 
    gelesen haben dürften, 
    dessen Autor sich nicht öffent-
    lich zu ihm bekannt hat, weil 
    er – ausnahmsweise nichts 
    von Sexualität enthält.

    In der Hoffnung, daß Sie 
    sich eines ungestörten 
    Wolseins erfreuen

    Ihr herzlich ergebener 
    Freud