-
S.
PROF. DR. FREUD WIEN IX., BERGGASSE 19
29. 4. 1929
Lieber Herr Doktor
Der Sachverhalt ist doch der:
Sie gaben uns allen Grund
zur Annahme, dass Sie Ihre
ungebetene Biographie im
Ganzen und besondere Äußer-
ungen darin bedauerten
und bereit seien, Ihren
Misgriff wenn die Ge-
legenheit käme, soweit
es möglich gutzumachen. Nun
kam die Gelegenheit, Sie
berichteten vom Auftrag
einer neuen Auflage. Ichanterwartete als Ihre
Reaktion etwa Folgendes:
Sie können sich denken
wie froh ich bin, endlich
mein Versprechen zu
erfüllen. Ich will mir’s
überlegen in welcher
Art es geschehen kann.Sie aber schrieben einfach:
Sie können sich meine
Verlegenheit vorstellen.
Mein Zutrauen zu Ihnen
erfuhr damals einen
harten Stoß. Ihre spätere
Selbstkritik, es sei gewiß
eine ungeschickte oder
unzulängliche Ausdrucksweise -
S.
gewesen, erledigt sich wol
durch den, einem Analytiker
nicht befremdlichen Hinweis,
daß auch solche Ausdrucksweise
etwas bedeutet. Wenige Tage
vorher hatte ich von Dr Ruth
Brunswick gehört, dass Sie
auch ihr gegenüber von
Ihrer Verlegenheit gesprochen
aber hinzugefügt hatten:
Ich fürchte mich vor Stekel.
[Dr R.B. erfindet nichts, aber
ich kann nicht wissen, ob Sie
sich daran erinnern]Das sieht nicht schön aus Ich
bin aber mit Ihrer Entscheidung,
das Buch ohne Erneuerung
ausgehen zu lassen, sehr
einverstanden. Die Angeleg-
enheit ist mir, da es sich wieder-
um um meine berühmte
„Rachsucht“ handelt, durchaus
unangenehm. Wenn Sie
wollen, soll sie nicht mehr
erwähnt werden. Ich sehe
Ihrer Anwesenheit am (
13 Mai) nächsten Abend in meinem
Haus entgegen.Ihr
Freud