• S.

    PROF. DR. FREUD   
    WIEN IX., BERGGASSE 19

    Semmering
    Villa Schüler

    8. Sept 24

    Liebe Frau Doktor

    Sie erinnern vielleicht, daß ich 
    im Vorjahr das jüngere Kind 
    meiner verstorbenen Tochter 
    an einer Miliartuberkulose 
    verloren habe.  Nun ist das 
    ältere, ein 11½j Junge, eben 
    Gymnasiast geworden, an 
    Drüsenfieber, die Lunge selbst 
    soll noch intakt sein, erkrankt 
    u wir möchten nichts zu seiner 
    Herstellung versäumen. 
    Ich habe mich erin̄ert von 
    Ihnen gehört zu haben, 
    daß Sie den Leiter eines 
    Kindersanatoriums in der 
    Schweiz (Lesyn? glaube ich) 
    gut kennen u bereit sind, 
    eine Empfehlung an ihn 
    zu geben. Wenn ich damit 
    Recht habe, darf ich Sie bitten, 
    sich in dieser Sache an 
    meinen Schwiegersohn Max 
    Halberstadt in Hamburg 
    Neuer Wall 54 zu wenden, 

  • S.

    ihm die Adresse anzugeben 
    u die Empfehlung an den 
    Arzt zu schicken?  Meine 
    Frage ist eine rein rhetor-
    ische, denn Ihre Liebens-
    würdigkeit ist eine so er-
    probte, daß ich der Ant-
    wort sicher bin.

    Es geht mir subjektiv nicht 
    schlecht u objektiv soll alles 
    in Ordnung sein. Wir 
    werden sehen. Am 1 Okt 
    beginne ich die Arbeit 
    mit einer beschränkten 
    Anzal von Patienten.

    Hoffend, daß Sie in 
    Ihrer Antwort auch ein 
    Wort über Ihr eigenes 
    Befinden sagen werden 
    u mit einem Gruß an 
    Ihren Mann, 
    in herzlicher Ergeben-
    heit
    Ihr
    Freud

    P.S. Sie werden bemerken, daß 
    ich hier oben Ihre neue 
    Adresse nicht zur Verfügung 
    hatte.