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S.
PROF. DR. FREUD WIEN IX., BERGGASSE 19
Semmering
28. 8. 26.
Liebe Ruth
Ich muß mich beeilen, Ihnen zu
antworten, sonst trifft Sie der Brief
nicht mehr an. Ich danke Ihnen sehr
für alle Ausführlichkeit in der
Gallenaffaire, die ja einige Beruh-
igung mit sich gebracht hat. Am
liebsten hörte ich natürlich, daß
Sie anstatt der Wal zwischen Eiter,
Steinchen u eingedicktem Sebrat
– Ruhe haben. Ich mag all diese
Details u auch die Untersuchungs-
methoden nicht, denen Sie sich
jetzt unterziehen. Ein ganz laien-
hafter Standpunkt!Neugierig, was für radikale Vorschläge
Sie für mich mitbringen! Hoff-
entlich ein neues Verfahren des
Knochenersatzes oder dgl. Unterdeß
hat mit Pichler durch einfaches
Abschleifen bereits zehn recht
behagliche Tage verschafft. Er ent-
schließt sich so schwer, als ob es ein
Opfer für ihn wäre.Was Sie über die Natur des amerik-
anischen Menschen schreiben, hat
mich außerordentlich interessirt
u viel Wiederhall bei mir
gefunden. Ich zerbreche mir lang
den Kopf, was mit den Leuten
eigentlich los ist. Die Analyse -
S.
passt ihnen wie dem Raben ein weißen
Hemd. Personen, die sich in der Analyse
benom̄en haben wie Oberndorf oder Asch,
wären in Europa Insassen einer
Irrenanstalt, dort sind sie Analytiker.
Es ist als ob man umlernen müsste.Es thut mir leid, daß Sie dort keine
neue Patientin bekom̄en haben.
Hoffen wir, daß hier etwas auftaucht.Ferenczi war eine Woche hier, sehr
erfreulich, heute abgereist. Er schifft
sich am 23/9 in Cherbourg ein, an
demselben Tag also doch mit dem-
selben Schiff, ein anderer, Rank.
Wir wissen es von Dr Frankwood Williams
(keiner Ihrer W.s), der mich durchaus be-
suchen wollte u dem ich reinen
Wein über Rank’s Camouflage
der Analyse einschenken mußte. Jetzt
wird er über Verfolgung zu klagen
haben, aber wie lange hat er
eigentlich erwartet, daß man sein
falsches Spiel u seine Provokat-
ionen hinnehmen wird. Williams als
offizielle Persönlichkeit war eine
seiner stärksten Hoffnungen, aber
auch der wird nichts thun, weder für
ihn noch für Ferenczi.Ich grüße Sie herzlich u erwarte
noch gute Nachrichten.
Ihr
Freud