• S.

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    Einige theoretische Gesichtspunkte 
    zur Paranoia

    Grundthatsache etwa die: In einer f. Person taucht der 
    Wunsch nach Verkehr mit einem Mann auf. Er unterliegt 
    der Verdrängg u erscheint wider in folgender 
    Form: Man sagt draußen, daß sie den Wunsch habe, 
    u was von ihr bestritten wird. (Oder: dieser Verkehr 
    hat sich nächtl Weile gegen ihren Willen vollzogen. 
    Aber diese Form ist nicht die primäre).

    Was ist bei dieser für die Pat. charakterist. Art der 
    Verdrängg u Wiederkehr geschehen? Eine Idee – der 
    Inhalt des Wunsches – ist aufgetaucht u geblieben, 
    sogar aus ubw bw geworden, diese innen entstandene 
    Idee ist aber nach außen projizirt worden, kom̄t 
    als Wahrnehmgsrealität wider, an der sich die 
    Verdrängg nun als Widerspruch von Neuem 
    äußern kann. Dem Wunschaffekt ist der Glaube 
    versagt worden, bei der Widerkehr zeigt sich ein 
    entegegengesetzter feindseliger Affekt.

    Zu erklären ist die Projektion. Welches ist die Bedingg 
    daß ein innerer affektbesetzter Vorgang nach 
    außen projizirt werde? Ein Blick auf’s Normale: 
    Unser Bw nim̄t ursprünglich nur zweierlei wahr. 
    Nach außen gewendet die Wahrnehmungen (W), die 
    an sich nicht affektbesetzt sind, u Qualitäten haben, 
    von innen her erfährt es von „Empfindungen“, das sind 
    Äußerungen der Triebe an gewißen Organen, 
    diese sind wenig qualitativ, hingegen starker 
    quantitativer Besetzung fähig. Was solche Quantität 
    zeigt, wird nach innen lokalisirt, was qualitativ 
    u affektlos ist, nach außen.

  • S.

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    Natürlich sind das grobe Schemata. Alle ψ Vorgänge des 
    Vorstellens, Denkens usw werden durch Beiträge von 
    beiden Seiten hergestellt.

    Das am W. Ende anlangende findet unmittelbaren 
    Glauben, das endopsychisch entstandene unterliegt 
    der Realitätsprüfg, die in Zurückführg auf die W 
    besteht und der Verdränggsneigung, die sich 
    direkt gegen die Unlustqualitäten der Empfindgen 
    wendet.

    Der Sexualtrieb ist ursprünglich autoerotisch, später 
    erteilt er den Erin̄ergsvorstellgen von Objekten 
    Affektbesetzung. Objektliebe. Eine Wunschphantasie 
    wie die Eingangs angenom̄ene ist als eine 
    libidinöse Objektbesetzg anzusehen, kann sie nun der 
    Verdängg unterworfen werden, ehe sie bw. wird 
    so mag das auf verschiedenen Wegen geschehen 
    (Hauptcharaktere d. einzelnen ψNeurosen). Ist ihr 
    Vorstellgsinhalt nach dem WEnde projizirt worden, 
    so kann dieß nur so geschehen sein, daß ihr zunächst 
    die Libidobesetzg entzogen wurde. Dann hat sie den 
    Charakter einer Wahrnhmg.

    Bei der Par wird dem Objekt die Libido entzogen, 
    eine Umkehr davon ist die Trauer, wo das Objekt 
    der Libodo entzogen wird.

    Was die Objektvorstllg an Besetzg verloren hat, wird 
    ihr zunächst als Glaube ersetzt. Wohin die Libido 
    geraten ist, darauf deutet die primär bei der Par
    auftretende Feindseligkeit gegen das Objekt: Diese 
    ist die entzogenen Wahrnehmung der Libidoentziehg. 
    Bei dem Compensationsverhältniß zwischen Objekt-
    besetzg und Ichbesetzungen wird es wahrscheinlich, 
    daß die dem Objekt entzogene Besetzg in’s Ich 
    zurückgekehrt ist, dh: autoerotisch geworden ist.

  • S.

    3

    Das paran Ich ist darum überbesetzt – egoistisch, größensüchtig. 
    Ein Gegenstück zu dem hier supponirten Vorgang 
    zeigt die Angsthysterie. Hysterie ist ganz allgemein 
    charakterisirt durch das Übermaß der Objektbe-
    setzungen. Sie ist extreme Objektliebe, sie überzieht 
    selbst die autoerotische Vorzeit mit Objektphantasien 
    (Verführung). Sie nim̄t alles zum Objekt, was mit 
    dem Normalobjekt in entfernter Beziehg steht, 
    auch Räumlichkeiten daher die Hysterie an den 
    Ort gebunden ist (Platzangst) wie an die Nähe der 
    Geliebten, im Gegensatz zur Unstetigkeit, zum 
    Wandertrieb der Demenzt. praecox.

    In der Angsthysterie findet das Gegentheil von 
    dem statt was sich wir bei Par. supponirt haben. Äußere 
    Reize, also W. werden behandelt wie in̄ere mit 
    Affekt besetzte Vorgänge. Die bloße Vorstellg 
    wirkt wie ein in̄eres Erlebniß; die Schreckhaftigkeit. 
    Die bloße Einziehg der Objektbesetzungen in’s Ich 
    in’s Autoerotische kom̄t als organischer Vorgang 
    mit Affektverwandlung (in Unlust) vor, nämlich in 
    der sog. Hypochondrie. Die Verwendung dieses 
    Mechanismus zu Verdränggszwecken ergibt erst 
    die Paranoia. Die Hypochondrie steht also zur 
    Par in einem analogen Verhältniß wie die rein 
    somatisch fundierte Angstneurose zu der durch’s ψ 
    gehenden Hysterie. Hypochondrie nähert sich oft 
    genug der Paranoia, geht in sie über, mengt 
    sich ihr bei.

    Nun ist nicht zu vergeßen, daß es sich bei den ψN 
    durchwegs um mißglückte Abwehr handelt. Die 
    Par. scheint am sichersten zu mißglücken, dh: 
    die Libido sucht ihr Objekt wider auf, sucht sich 
    durchzusetzen u heftet sich nun unter Verkehrung 
    in Unlust an die W, zu denen das Objekt geworden ist.

  • S.

    4

    Der Widerkehrkampf ist bei der Par. deutlicher als bei 
    den anderen Neurosen. Die libid. Besetzg steigert nun 
    die zu W gewordenen Vorstellgen zu Hallucinationen 
    was wir klinisch beobachten, entspricht diesem sekundären 
    Abwehrkampf gegen die libidinöse Phantasie, die 
    nun vom einen Ende des seelsischen Apparates angreift, 
    an dem sonst nur die Realität ankom̄t.

    Man nehme dazu, dass dieser Prozeß in der Regel 
    ein partieller ist, dh nur diese oder jene Com-
    ponente der libid. Objektbesetzg ergreift. Dabei 
    setzt sich allmälich die ganze verdrängte Libido in 
    Glauben um, dieser Ursprung aus der Libido 
    gibt dem Wahn seine Stärke. Wahn ist aus 
    Libido hervorgegangener Realitätsglaube.

    Resumé. Die Projektion ist eine Art der Verdrängg 
    (analog der Conversion etc) bei der die Vorstellg als 
    Wahrnehmg bewußt, der dazugehörige Affekt abge-
    trennt in’s Ich zurückgezogen wird unter Unlust-
    verkehrung. Dieser Affekt (die libid. Besetzung) 
    sucht sich dann von der W aus wieder dem Ich 
    aufzudrängen.

    Leichter als andere ΨN wäre die Par. durch die 
    normalen ψ Vorgänge zu erläutern.

    Wie Sie merken ergibt sich aus den hier behandelten 
    Beziehungen zwischen der libid. Objektbesetzg und 
    den Ichbesetzungen leicht eine Formel für die 
    besonders geglückte Art der Verdrängg bei 
    den halluc Formen des echten Wahnsinns 
    (Amentia) (Vgl eine alte Analyse in der Sam̄lung)

    Mit herzl Gruß Ihr
    D. Freud

    Ein Schelm, der mehr gibt als er hat.