• S.

    PROF. DR. FREUD

    12. 2. 11

    Lieber Freund

    Ich will den Sonntag nicht vorüberlassen, 
    ohne Ihnen zu schreiben. Die Woche ist z
    u toll. Ihren „seelenlosen“ Brief bekam 
    ich erst am 10/2 zu Gesicht u hoffe, die Influenza 
    hat Sie wieder ausgelassen. Wirklich war 
    es sonderbar, Ihre Schrifl nicht über Ihrem 
    Namen zu finden. Den neuen Achilles 
    habe ich für Dienstag zu mir gebeten u 
    will ihn gerne als Gast in den Verein 
    mitnehmen. Mein Sohn ist zu Hause u lernt g
    ehen. Mein Befinden hat sich wirklich 
    nicht mehr verschlechtert, seit­dem es nicht 
    nach Gas riecht.

    Mich beschäftigt jetzt der Schwede Bjerre, ein 
    ernsthafter Mann, mit dem wir wol 
    werden rechnen müßen. Er hat mir das 
    Referat über sei­ nen Vortrag in Stkhlm 
    eingeschickt, das fürs Zentralblatt be­stim̄t 
    ist u überdieß ein Stück einer Analyse 
    eines in Heilung aus­gegangenen Falles 
    von Paranoia, von dem er mir schon in 
    Wien er­zält. Ich soll die Arbeit jetzt lesen, 
    ihm mein Urteil sagen u das ganze dann 
    an Sie fürs Jahrbuch befördern. Meinen 
    Sie nicht, daß man ihm dort Raum 
    machen sollen? Es wird ja fürs erste Heft 
    kaum fer­tig sein, also den 

  • S.

    Paranoiafeldzug ins nächste Heft fortsetzen. Es scheint ein Fall 
    von hy Paranoia zu sein, die es nach meinen 
    Eindrücken ja auch giebt, der Form nach 
    identisch mit der echten, aber reduzirbar, 
    weil auf Identifizirung mit einem echten 
    Paranoiker beruhend. Haben Sie sich von 
    dieser Form schon einmal sicher überzeu­gen 
    können? Wenn ich die Arbeit gelesen habe, 
    werde ich Ihnen mehr darüber schreiben.

    Seit einigen Wochen gehe ich mit dem 
    Keim einer größeren Synthese schwanger 
    u will im Som̄er damit niederkom̄en, 
    ich brauche da­zu einen Raum, in dem 
    ich allein sein kann u einen Wald 
    in der Nähe. Unsere Som̄erpläne 
    sind aber noch ganz unbestim̄t. Der 
    Som̄er ist für uns eines jener Probleme, 
    die durch keine Lösung zu erledigen sind.

    Unlängst theilte mir eine Pat. einen kurzen 
    Tr mit, der der Theorie glänzend widerspricht 
    Er ist kurz. Sie tr., daß es an ihrer Thüre 
    klopft u wacht auf; es hat nicht geklopft. 
    Kein Einfall dazu. Wie löst sich das? Eine 
    sehr geistreiche Schachaufgabe.

    Ich grüße Sie und Ihre Kleinen mit Mutter herzlichst 
    Ihr 
    Freud

    Was ist's mit Pfister? Lange nichts gehört.