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S.
PROF. DR. FREUD WIEN, IX. BERGGASSE 19.
18. 2. 12
Lieber Freund
Ich war sehr erfreut, einen Brief von
Ihnen zu erhalten. Ich habe Abgewöhn-
ungen nicht sehr gerne u finde keinen
Triumph in ihnen. Aus der Gewohnheit
herausgerissen, weiß ich auch nicht mehr,
wovon ich Ihnen schon berichtet habe,
u will auch die Rücksicht auf Ihre
Arbeit noch nicht wegthun.Die wüste Geschichte von Bjerre habe ich
korrigirt u abgeliefert. Es ist nicht gerade
sehr erfreulich, solche Verworrenheiten
bringen zu müßen. Von der Imago
lege ich Ihnen einen Prospekt bei (noch
nicht fehlerfrei). Ich hätte es gerne gesehen,
wenn hier u im Zentralblatt Ihr Name
unübersehbar aufträte, anstatt daß Sie sich
hinter Ihrer religiös libidinösen Wolke
unsichtbar machen. Ich finde, Sie lassen
mir noch zu sehr den Vortritt. In meiner
Inzestscheuarbeit habe ich hoffentlich zu
Ihrer Zufriedenheit den Anteil, den
Ihre u Ihrer Schüler Beiträge an der
Entwicklung der ΨΑ haben, betont.Ich selbst bin mit der Arbeit über das
Tabu beschäftigt, nicht im̄er wol gewesen
u infolge der täglichen Praxis selten zu
etwas Gutem gekom̄en. -
S.
Die Society for Psychical Research hat mir
einen englischen Aufsatz über das Ubw
abgenötigt, der natürlich nichts Neues
bringt.Stärcke in Amsterdam hat das erste Feuilleton
über ΨΑ in holländischer Sprache eingeschickt.
Van Emden scheint zu zaudern u zu trödeln
wie immer. Im Verein hier steht alles gut.
Unlängst hat ein junger Wiener (Dr Schrötter)
die Traumsymbolik – ziemlich gegen seinen
Willen – experimentell bestätigt. Er hat
seinen Hypnotisirten aufgegeben, von sex.
oder homosex. Verkehr zu träumen
und sie haben es in den uns bekannten,
ihnen selbst, wie versichert wird, völlig
unbekan̄hten Symbolen getan. Damit
fängt ein neuer Zweig der experim.
Psychologie an. Das Zentralbl wird die
vorläufige Mittheilung bringen. Sie
werden dann mehr darüber hören.Im Hause geht es jetzt wieder einmal
gut. Ich grüße Sie mit Frau u Kindern
herzlich,
Ihr
Freudenglischen Aufsatz über das Ubw] Freud, Sigmund (1912-006/1912): A Note on the Unconscious in Psycho-Analysis. In: Special Medical Part of the Proceedings of the Society for Psychical Research, 26, 1912, (26)66:312-318.
Freud, Sigmund (1912-006/1913): Einige Bemerkungen über den Begriff des Unbewußten in der Psychoanalyse. Internationale Zeitschrift für ärztliche Psychoanalyse. 1913, (1)2:117-123.Johan Stärcke] De psychologie van het onbewuste; een nieuwe weten schap. De Telegraaf. Amsterdam), n. Januar 1912.
Dazu im Zentralblatt, 1912, (2)7:420.Karl Schrötter] (1887-1913) Experimentelle Träume.
Siehe Zentralblatt, 1912.Schrötter hielt dazu am 14.2.1912 einen Vortag in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Sieh dazu das Protokoll (protokollierten Vortragstext und Diskussion)
(1912-507/1912):
Protokoll der 17. Sitzung am 14. Februar 1912. Dr. Karl Schrötter: Experimentelle Träume.
Schrötter beging 1913 Selbstmord.
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