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S.
PROF. DR. FREUD
WIEN, IX. BERGGASSE 19.25. 1. 08
Lieber Freund u College
Ich beuge mich gerne Ihrer Energie u werde mich
bemühen, Ihre Arbeit zu unterstützen. Quartier
in Salzburg besorgen wir gerne von hier aus;
ich selbst kenne die Stadt u die Hotels ziemlich gut;
vorher müßte man nur wissen, für wieviel Personen
ungefähr vorzusorgen ist, u ob Sie sich für den vornehm-
eren oder den schlichteren Stil entscheiden. Am
Mittwoch werde ich Ihre Einladung meiner Gesellschaft
vorlegen u Ihnen dan̄ sagen können, welche Arten
von Betheiligung sich in ihr ergeben haben.Ich übernehme auch den Vorsitz (!), weil Sie es darauf
anlegen, u will irgend etwas erzälen, weiß noch
nicht was; Ihre Bemerkung: nichts Besonderes hat mich
sehr erleichtert. Vor Kurzem meinte ich nämlich etwas
sehr Schönes in Händen zu haben, die Lösung
des Problems der Neurosenwal für das Sie
sich ja auch so sehr interessiren, aber es entschlüpfte
mir wieder, wie schon einmal vor Jahren. Ich fang’
es aber noch einmal ein.Daß Bleuler nicht mit uns sein wird, ist wol nicht
ganz einfach determinirt. Ich werde mich sehr freuen
Sie alle zu sehen, u ich denke, es wird auf
keinen Fall steif u hohl ausfallen. Wenn Sie
alle Salzburg nicht ken̄en, wird der Nachmittag
in der schönen Umgebung gut anzuwenden sein
(Festung, Hellbrunn); am Abend könnten wir sehr
gut noch eine sog. administrative Sitzung abhalten. -
S.
Mit den Bemühungen, den Verleger der Schriften z. angew.
Seelenk. durch einen leistungsfähigeren zu ersetzen, bin
ich bisher durchgefallen. Doch verzichte ich noch nicht u bitte
Sie mir zu schreiben 1) wann Sie das Manuskript Ihres
Vortrages: Inhalt d. Psychose schicken können, 2) wann
Sie es gedruckt wissen wollen. Heller macht alle Anstreng-
ungen, mich zu halten.In der ersten Nr der Zeit. f. Sexualwiss finden Sie eine
kleine Arbeit mit Hyformeln von mir. Sonderab-
drucke sind noch nicht angelangt. Wenn Ihr Amsterdamer
Referat mir schon vorläge, würde ich daran anknüpfend
etwas Zusam̄enfassendes über Hy vorbringen können.
So zerflattert mir gerade jetzt das Ganze der Hy, mein
Interesse ist mehr bei der Zwangsneurose.In dieser Woche hat die Influenza in meinem
Hause gewütet, die, wenn ich nicht sehr irre, heute
auch bei mir einsetzt. Meine Tochter hatte gleich-
zeitig eine Abdominalreizung, die auf einen
Fadenabscess, Spätfolge ihrer Blinddarmoperation,
bezogen wurde. Sie ist gegenwärtig in voller Besserung.Einige Einladungen mehr werde ich verbrauchen
können.Mit herzlichem Dank für Ihre
Bemühungen u mit der Bitte, meinen
heutigen Brief aus dem Krankheitszustand
erklären zu wollen,
Ihr herzlich ergebener
FreudDie Reise vor unserem Congreß
nach Südfrankreich gönne ich
Ihnen sehr.meine Tochter: Mathilde
Berggasse 19
Wien 1090
Oostenryk
Burghölzli
Zürich 8032
Switserland
C32F14