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S.
PROF. DR. FREUD. WIEN, IX: BERGGASSE 19.
9. Dez 12
Lieber Herr Doktor
Ich habe heute von Bergmann „gehört“. Nur
wenige Sätze, aber sie genügten mir.
Er theilt mit, daß das Zentralbl den
offiziellen Titel von nun an nicht
mehr führen wird. Wir sind Ihnen alle
für die gute Erledigung zu Dank ver-
pflichtet. Ihrem Argument, daß wir
keinen rechten Vertrag zur Unterstützg
unserer Ansprüche haben, füge ich mich
u werde am Mittwoch ( 11 d.M) Ihr Zirkular
im Verein genehmigen lassen. Mein
Anerbieten, die Hälfte des Lösegelds
zu bestreiten, so daß die Mitglieder
unbelästigt bleiben, wiederhole ich
hier aus meiner Depesche.Ich bin von diesen Geschäften endlich
frei u kann wieder an die Arbeit
gehen. Die dritte „Übereinstim̄ung“
ist das nächste. Über Ihre Libidoneuerg
getraue ich mich nichts mehr zu sagen,
seitdem Sie mich wegen der Entdeckung
sie enthalte die Lösung des mystischen
Rätsels, so kräftig ausgelacht haben. -
S.
Dafür bin ich auf Ihre englischen Vorträge
sehr gespannt. Ich hoffe, Sie werden
herzhaften Widerspruch von Seiten
unserer Mitarbeiter finden; der meinige,
wenn er auch die Lektüre Ihrer Vorträge
übersteht, wäre ja zu selbstverständlich,
um Eindruck zu machen.Ihr Vorsatz, Adlers Buch zu kritisiren
hat meinen vollen Beifall. Vom In-
haltlichen abgesehen, wird dieser Schritt
auch politisch klärend wirken, indem
er den hier laut ausgesprochenen Erwartungen
ein Ende macht, Sie würden doch zu ihm
„hinüberschwenken“. Ich habe selbst das
Buch nicht gelesen; er hat es mir nicht
zugeschickt und ich bin zu geizig, um
noch gutes Geld für solches Produkt
auszulegen. Wollen Sie Ihre kritische
Äußerung aufs Eis legen (im Jahrbuch)
oder warm zum Genuß anbieten (in
der Intern. Zeitsch.)?Ich grüße Sie herzlich u folge
Ihnen gerne durch alle Variationen
Ihrer virtuos behandelten Leier.
Ihr ergebener
Freud
Berggasse 19
Wien 1090
Oostenryk
1003 Seestraße
Küsnacht 8700
Switserland
C32F27