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S.
[Briefkopf V Berlin] 16. II. 221
Lieber Herr Professor,
Ihr Brief, für den ich Ihnen herzlichst danke,
stand all diese Wochen vor meinen Augen; aber
ich freue mich Ihnen versichern zu dürfen, daß
Sie sich wirklich zu viel Sorge um mich
machen. Vor allem überschätzen Sie das, was Sie
mein Opfer nennen, lieber Herr Professor. Es könnte
gar nicht gross genug sein, gilt es doch dem,
was mir in solchem Maß Lebensinhalt ist. Und
ich durfte doch Dank der glücklichen Fügung der
der äusseren Umstände relativ geringen Reibungen
dem leben, was mir Ziel und Inhalt schien.So ersetzt z. B. meine Familie jetzt wieder das, was ihr
an Verständnis für meine Bestrebungen etwa abgeht,
durch eine von Ambivalenz wenig beeinträchtigte -
S.
Sympathie für meine Person und damit auch für alles,
was ich tue, ohne danach viel zu fragen, ja ohne
dass auch ein grosses Bedürfnis bestünde, es sonderlich
zu begreifen, oder durch irgend etwas Äußerliches es
besonders bestätigt zu sehen; es ist ein eigentüm-
liches gläubiges Gewährenlassen aus jener obenerwähnten
Sympathie. Seien Sie versichert, daß man mir auch
keinerlei Vorstellung unsere Sache zu fördern, abschla-
gen würde, wenn ich sie irgend wie persönlich färben
würde. Das durfte und konnte ich natürlich nicht
und es ist nun auch immer weniger nötig.Es war nun sehr opportun, daß ich einiges selber ge-
tan habe; es hat ihnen, wenn auch wieder über
meine Person hinweg, auch unsre Sache etwas
näher gebracht. Sie eine Zeitlang so mit uns in Kon-
takt zu erhalten, dazu schien es mir nötig zu
sein, unsern Fonds sich nicht all zu seh rasch ganz
erschöpfen zu lassen. Schliesslich ist es aber doch nicht
gar so schwer, ihr Interesse wach zu halten. Wie sollte
mir da etwas „zu viel werden“! -
S.
Schwierigerist natürlich Mirra, d. h. das Problem, meine
Arbeit und mein privates Leben in guten Einklang
zu bringen, lieber Herr Professor. Ich werde es auf
dem Wege suchen, der noch der leichter gangbare
ist, indem ich nämlich versuche, mein ¿¿¿¿¿lich
verhältnismäßig übergross gewordenes Arbeitsquantum
zu verringern. Die Besserung, die in Mirras Zustand
eingetreten und sich auch noch weiterentwickelt,
wird mir mein Unternehmen erleichtern. –Zum Schluß noch eine Bitte, lieber Herr Professor:
Wir beginnen bereits mit den Vorbereitungen zum
Kongress. ich darf doch schon bitten, daß Sie
mit Frau Professor und Anna bei uns wohnen
in jenen Kongresstagen? Wie eine stillschweigende
alte Abmachung dünkt mich dies. Und Mirra
bittet mit.Mit den wärmsten Grüßen von ihr und mir
in alter herzlicher Treue
Ihr
Max Eitingon.
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Deutschland
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