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Berlin 15.3.25
Liebe Freunde,
Die Frage des Kongreß-Ortes scheint jetzt so weit geklärt, dass die
Notwendigkeit, auf deutschem Boden zusammenzukommen, allseitig anerkannt wird,
hoffentlich auch von Sándor, dessen Äusserung noch aussteht. Was den Zeit-
punkt betrifft, so waren Max & ich bereit, den englischen
Wünschen Rechnung zu tragen. Wir hören aber aus Bad Homburg, dass die letzten
Tage des August noch zur „Saison“ gehören, d.h. wir würden dann schlechter
untergebracht sein. Unter diesen Umständen schien es uns besser, den ursprüng-
lich gewählten Termin festzuhalten, zumal ein weiterer Brief von Ernest die
Umlegung für nicht dringend erklärte.In der Angelegenheit Newton hatte ich (A) 3 Briefe: von Stern, Monroe
Meyer (Sekretär der NY Ps-A Soc.) und Miss N. selbst. Die Gruppe nimmt An-
stoss daran, dass Miss N., die als Gast zugelassen war, mehrfach zu prakti-
zieren anfing und Empfehlungsschreiben versandte. Die Kollegen in New York stehen
auf einem sehr entschiedenen Standpunkt, wollen also Miss N. nicht mehr zu-
lassen, stimmen aber meinem Vorschlag einer Diskussion dieser Frage auf
dem Kongress zu. Sie möchten eine Statutenänderung dahingehend, dass Personen,
die von einer Gruppe aufgenommen sind, auf Mitgliedschaft in einer andern
nicht ohne weiteres Anspruch haben sollen. Ich glaube, man wird ihnen darin
zustimmen müssen. Ich werde jedenfalls alles tun, um die immer etwas
separationslustigen Amerikaner bei unsrer Organisation zu halten. Der Fall
Newton wird sich vorläufig von selbst erledigen. Miss N. war ernstlich krank
und beabsichtigt, NY für längere Zeit zu verlassen, eventuell nach Wien oder Berlin
zu kommen. Aber wir müssen natürlich für künftige Fälle vorsorgen.Der von Herrn Prof. gemeldete Stekel-Schüler Dr. Schindler ist bisher
nicht eingetroffen bzw. nicht hervorgetreten. Dagegen macht uns Hattingberg
Einiges zu schaffen. Er hat sich mit Moll (!) zusammengetan und wird dem-
nächst in der Medizin. Gesellschaft über „den neuen Weg in der Psa.“ reden.
Wenige Tage vor dem Vortrag hat er sich an Max gewandt und ihn um Durchsicht
des Vortrages gebeten, sichtlich aus Angst vor Kritik. Dabei hat er mitge-
teilt, dass er Berlin wieder verlässt. Um so weniger ist sein Hervortreten
mit einem so prätentiös klingenden Vortragstitel zu begreifen. H. hat sich -
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mit einem so prätentiös klingenden Vortragstitel zu begreifen. H. hat sich in
wenigen Monaten in Berlin ziemlich unmöglich gemacht. Wir werden sehen, ob es
sich lohnt, ihm in der Med. Gesellschaft entgegenzutreten.In besonders mißlicher Weise macht sich Groddeck hier bemerkbar. Er hat
wieder 3 Vorträge gehalten. Daß er von der Vereinigung keine Notiz nimmt,
sind wir schon gewohnt. Ernster aber ist folgender Vorgang. In einem der
Vorträge unterbrach G. sich: er habe soeben von der Strasse ein Auto-Signal
gehört und wolle einmal seine freien Assoziationen dazu mitteilen. Nach zuver-
lässigem Bericht gab er nun weit über eine Stunde lang alle intimsten
Einzelheiten seines Privatlebens zum besten, die sich u. a. auf seine anwesende
Frau bezogen; dabei schwelgte er dauernd in den krassesten Ausdrücken. Man
müßte diesem Treiben doch einmal entgegentreten. Allerdings hätten wohl nur
Sie, l. Herr Prof., die nötige Autorität. Wenn Sie ihm mitteilen würden, daß
sein Auftreten unzweckmäßig sei, so würde das vielleicht wirken. Sollten
Sie dazu geneigt sein, so müßte ich Ihnen allerdings zunächst zuverlässige
Einzelheiten vorlegen.Auf die Anfrage hinsichtlich eines Symposion auf dem Kongreß hat noch
keine Gruppe geantwortet.
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Hinsichtlich der Veröffentlichung zur Frage der Gedanken-Übertragung
sind wir mit Herrn Prof. der Meinung, daß der gegenwärtige Zeitpunkt nicht
geeignet wäre.Zu der von Ernest aufgeworfenen Frage des Titelblattes der Zeitschrift:
Mit Heft 1/1925 muß eine Änderung eintreten. Als Herausgeber wird nach wie
vor Herr Prof., als Redaktion Eitingon, Ferenczi & Radó figurieren. Die
Liste der Gruppen-Präsidenten muß dem gegenwärtigen Stande entsprechend
korrigiert werden. (Also z. B. statt Ermakow – Wulff).Wir freuen uns über die Beweise des zunehmenden Interesses in Paris.
Leider ist eine Förderung der Bewegung dort von Deutschland aus am wenig-
sten möglich, doch werden wir vielleicht durch Pflege der persönlichen Be-
ziehungen Nutzen stiften können. Im Anschluss an den Kongreß werden voraus-
sichtlich Hanns & ich Paris besuchen.Mit Radó als Redakteur habe ich darüber beraten, wie unsere Zeitschrift
von dem 100. Geburtstag Charcot’s, der im Juni in Frankreich feierlich be-
gangen wird, Notiz nehmen soll. R. wird dieserhalber mit Herrn Prof.
in Verbindung getreten sein. Die Erwähnung geschieht hier hauptsächlich,
weil die Sache das „Journal“ in gleicher Weise angeht.Endlich noch eine günstige Mitteilung von hier. Am 13. März hatte ich
in der Berliner Gesellschaft f. Gynäkologie über „Psychoanalyse und Gynäkologie“ zu spre-
chen. Der Hörsaal der Universitätsklinik war bis zum letzten Platz gefüllt.
Die Ärzte, zum Teil bisher sehr wenig orientiert, zeigten anfänglich die
bekannte lächelnd-skeptische Haltung, im Verlauf des Abends aber wendete
sich der Eindruck ganz zu unsern Gunsten, besonders auch durch die Diskussion.
So scheint es keine zu optimistische Auffassung zu sein, wenn mir von ver-
schiedenen Seiten gesagt wurde, der Abend sei durchaus erfolgreich für uns
gewesen.Mit den besten Grüßen
Abraham Sachs
Eitingon