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S.
Berlin, 11.12.21
Liebe Freunde,
Alle Briefe sind rechtzeitig eingetroffen.
Wien: Wir freuen uns über Ihre Ernennung, lieber Herr Professor
und gratulieren der holländischen Gesellschaft zu der von ihr getroffenen Wahl.Auch uns würde das Feuilleton von Polgar über Groddeck sehr
interessieren; wir schlagen vor, es zirkulieren zu lassen.Deiner Anregung, l Rank, kurze Sitzungsreferate zu geben,
werden wir Folge leisten (vom 1. Jan. an).Kürzlich erhielt ich (A) einen Bericht des „Sexuologischen
Seminars“ in Wien zugesandt. Vorsitzender ist ein Student (oder jetzt
Dr.) Fenichel. Er scheint psa. stark interessiert, aber etwas eigen-
brötlerisch gefärbt zu sein. Bestehen zwischen der Wiener Gruppe &
diesem Studenten irgendwelche näheren Beziehungen?Dir, L. Rank, versprechen Eitingon & ich unsre Photogr[aphie]. Ich
selbst besitze augenblicklich keine geeigneten und muß um etwas Geduld
bitten. Eitingon schlägt vor, einen allgemeinen Austausch der Imag-
ines unter uns vorzunehmen. Findet dieser Vorschlag Zustimmung?Auf die Anfrage wegen der 2 Vorträge in Wien antworte ich an
dieser Stelle, weil die Angelegenheit vielleicht auch die übrigen
K.-Mitgl. interessiert, besonders auch zur Orientierung für Dich, l.
Ferenczi. Entgegen meinem Telegr[amm] muß ich mitteilen, daß ich doch
nur unmittelbar nach Neujahr kommen kann. Ich bin von verschiedenen
Umständen ab- hängig, hoffe nun aber, daß dieser Bescheid bestehen
bleiben kann. Als Thema schlage ich vor: Prägenit[ale] Organisationen,
falls dies nicht schon anderweitig besprochen wird.Budap.: Deine Ansicht, l. Ferenczi, wird wohl allgemein ge-
billigt werden. Natürlich sollen wir solche privaten Mitteilungen
nicht weiter ge- ben. Aber die Versuchung ist oft groß, und ein
ganz kleiner Lapsus dieser Art ist in einer Sitzung kürzlich mir und
gleich darauf Eitingon pas- siert. Die ausdrückliche Feststellung, daß
dergleichen nicht geschehen soll, wird uns alle vielleicht in Zu-
kunft besser vor Fehlern schützen.London: Bisher ist niemand zum Kassierer für Deutschland,
Österreich & Ungarn ernannt worden, sondern die Kassierer der 3
Gruppen hatten die Beiträge an den Kassierer der Zentrale, also
gegenwärtig an Flügel, einzusenden. Da der Betrag, den ich aus der
Schweiz erhielt, sehr klein ist (in englischem Gelde etwa 1sh.)
so ist es wohl am einfachsten, ihn bei Gelegenheit des Kongresses
mit Flügel zu verrechnen. Ich werde ihn also zu diesem Zweck dem
hiesigen Kassierer (Eitingon) übergeben.Zur Frage wegen der Hexen kann ich nicht direkt beitragen,
möchte aber eine Erfahrung mitteilen. Bei einem meiner Patienten -
S.
war die ganze Kindheit von der Angst vor einer Hexe ausgefüllt. Die
Hexe war die verführerische schöne Mutter, auf die sich seine uner-
laubten Wünsche richteten, von der er „behext“ war.Von uns ist heute nicht viel zu berichten. An unsrer letzten
Sitzung nahm ein junger holländischer Arzt, Dr. de Monchy, teil. Wie
ich aus einem Brief von Hattingberg in München erfahre, ist Dr. de M
[onchy] einige Zeit zur Analyse bei H[attingberg] gewesen. Ebenso war ein anderer Hollän-
der, Dr. Schuurman, unser Gast.Mein Einführungskurs ist jetzt zu Ende. Die Hörerschaft blieb
bis zum letzten Abend vollzählig zusammen. Ein Teilnehmer meldete
sich am Schluß, um bei Sachs eine Analyse durchzumachen.Die Stärcke-Beihefte sind eingetroffen. Besten Dank! Hierzu
eine Bemerkung. St[ärcke] ist in der Literatur und in psychiatrischen
Kreisen noch nicht sehr bekannt. In solchem Falle wäre es besser, dem
Namen des Autors irgend eine nähere Bestimmung auf dem Titelblatt
hinzuzufügen.Zum Schluß noch die Bemerkung, daß ich mich sehr auf den Auf-
enthalt in Wien freue, wenn er auch kurz sein wird.Herzliche Grüße
Abraham Sachs Eitingon
[Handschriftlicher Nachtrag von Eitingon]:
Lieber Rank, lasse mich bitte wissen, ob ich die Zeitschriften-
Abonnement-Beträge der Mitglieder unserer Vereinigung an Volckmar
in Leipzig abführen soll. Ich habe dieser Tage auch mit Liebermann ab-
gerechnet und habe nunmehr fast alle Beträge schon.Mit bestem Gruß!
E.