• S.

    Prof. Dr. Freud                           
    Wien, IX. Berggasse 19.

    13.XI.13.

    Lieber Freund

    Über Abstimmungen läßt sich gar nichts 
    vorhersagen. Obwol ich rationell Ihre Prognose 
    teile, bin ich doch nicht sicher, ob ich Ihnen 
    nicht bald gratuliren darf, was jedenfalls 
    sehr gerne geschehen wird.

    Jungs Stil finde ich nicht christlich, sondern 
    frech u giftig. Als ob Ihr Urteil nicht auf 
    eigene Wahrnehmungen beim Kongreß 
    gegründet sein könnte. Und dann der 
    Hohn aufs Deuten, echt ψα!

    Daß Sie uns im Vortrag verkürzen wollen, 
    finde ich enttäuschend. Sie sollen dasselbe 
    leisten, ob Sie viel oder wenig zu thun 
    haben. Die Zeit verlangt es jetzt. Die 
    Spannung auf Ihren Vortrag ist bereits 
    sehr groß.

    Jones, der die Verhältniße sehr nüchtern 
    beurteilt, legt mir heute einen Brief 
    von Putnam bei, der über RankSachs 
    zu Ihnen wandern wird. Senden Sie 
    ihn an Jones zurück. Jones schlägt auch 
    eine Comitézusam̄enkunft zu Weihnacht 
    in Wien vor. Ich bin aber um diese 
    Zeit in Hambg und habe ihm angeboten 
    Sonntag 28 Dez, von Mittag bis Abend 

  • S.

    mit ihm u Abraham in Berlin zu verbringen. 
    Natürlich wäre es sehr schön, wenn Sie auch 
    dabei sein könnten. Ich würde auf jeden 
    Fall den Besuch bei Abraham machen.

    Totem u Tabu werden Sie erhalten haben. 
    Morgen ist Redaktionssouper mit 
    Hitschmann.

    Jede freie Stunde gehört jetzt der Traum-
    deutung, was sehr mühselig u ärgerlich 
    ist. Ohne Rank brächte ich keine Ein-
    schaltung zu Stande. Das Lesen ist zu 
    dumm. Ich will bis Weihnachten fertig 
    sein.

    Ich grüße Sie und Frau G. 
    herzlich

    Ihr 
    Freud

    P.S. Der „kleine Meyer“ hat meine Biographie 
    verlangt.

    PR: Putnam, Hale 

    BR: In diesem Brief (Hale, Putnam, S. 278f.) kommentierte Putnam unter anderem  BR: Ferenczi, Sandor Rezension von C. G. Jung (1911/12) Wandlungen und Symbole der Libido.

    BR: Bibliographisches Institut (Hg.) (1914): Meyers Kleines Konversations-Lexikon. Band 7: Ergänzungen und Nachträge. Leipzig und Wien: Joseph Meyer Verlag
    Eintrag zu Sigmund Freud (unsigniert)
     (Freud 1914h)

In Arbeit