• S.

    Prof. Dr. Freud                           
    Wien, IX. Berggasse 19.

    14.5.11

    Lieber Freund

    Sie waren mit Unrecht enttäuscht, wenn 
    Sie die Antwort auf Ihre Frage nach 
    dem Bozener Aufenthalt vermißten 
    Mein Brief war noch nicht die Antwort 
    auf Ihren letzten, sondern kreuzte sich mit 
    ihm. Ich kann Ihnen jetzt mittheilen, daß ich 
    am 9 Juli nach Karlsbad gehe, am 1. Aug 
    in Bozen eintreffen will, daß wir dort 
    noch 14 Tage zu bleiben gedenken, da
    am 14 Sept der Hochzeitstag ist, vielleicht 
    etwas länger, wenn der Aufenthalt für 
    die anderen noch Reiz hat. Von Mitte 
    August bis Mitte Sept (jetzt kom̄t der 
    voreilige Satz!) wäre die Zeit für 
    den zweiten Aufenthalt, vielleicht am 
    Caldonazzosee. Es wäre unnütz Ihnen 
    positivere Angaben zu machen, da jetzt 
    nichts mehr festzustellen ist. Aber ich 
    glaube Sie wissen doch, was für die 
    Bestim̄ung Ihrer eigenen Ferien 
    in Betracht kommt.

    Aus dem beigelegten Korrespbl werden 
    Sie ersehen, daß Jung für den Kongreß 
    zwei Termine in Vorschlag bringt. Ich 
    werde ihm schreiben müssen, daß der 

  • S.

    frühere, 16/17 Sept, für mich aus den Ihnen 
    bekannten privaten Gründen schwer an-
    nehmbar ist.

    Es scheint mir auch, daß Sie für Ihren Bruder 
    die pessimistischere Auffassung gewält 
    haben. Ein Ulcus am Gaumen deutet 
    nicht gerade auf Lues. Ist es denn der 
    mir bekannte Berliner? Ich glaube 
    nicht. – An einen Herrn Lorschy kann ich 
    mich leider auch nach den gegebenen 
    Kennzeichen nicht erinnern. Jedenfalls 
    war er nicht bei Nepallek u ich habe 
    nichts mehr von ihm gehört.

    Es scheint mir auch, daß Sie u Jung 
    gemeinsam vorgehen oder doch von 
    einander wissen sollten; ich schrieb 
    ihm vor Tagen in diesem Sinne. Aber 
    das Einverständnis sollte zwischen Ihnen 
    ohne meine Dazwischenkunft zu Stande 
    kom̄en, sonst wäre es lebensunfähig. 
    Mit dem Urteil über Verfrühung 
    bin ich einverstanden. Ihre erklärenden 
    Bemerkungen zum kleinen Kohn 
    haben mir Eindruck gemacht. Ich glaube, 
    das ist ein Ausgangspunkt, von dem 
    man zu etwas kom̄en wird.

    Ich wünsche Ihnen Aufheiterung 
    und grüße Sie herzlich Ihr 
    Freud

    14. September: 25. Hochzeitstag des Ehepaares Freud.

In Arbeit