• S.

    Prof. Dr. Freud                           
    Wien, IX. Berggasse 19.

    10.4.11

    Lieber Freund

    Was soll man da machen? Er ist und bleibt 
    ein unerziehbares Individuum, ein 
    mauvais sujet; ich habe es in der letzten 
    Mittwochdiskussion wieder gesehen. 
    Ich kann mich nun nicht entschließen, 
    die Absage noch deutlicher zu machen 
    aber auf die Zusendung will ich 
    Ihrem Rat zuliebe verzichten. Ihre 
    Glossen sind ganz richtig empfunden, aber 
    ich verzichte darauf alles, was uns 
    misfällt, zum Ausdruck zu bringen.

    Der Aufsatz von Kovacs ist interessant 
    u des Abdruckes wert. Gewiß kann 
    man die Sache tiefer fassen, aber ich 
    bin in diesen Dingen nicht kompetent. 
    In den „Angewandten“ habe ich auf 
    ¾ Jahre hinaus keinen Platz. Sie 
    werden hören, was in Vorbereitung 
    ist. Ich werde mich aber bemühen, eine 
    literarische Num̄er des Zentralbl 
    zusam̄enzubringen, in der diese 
    Arbeit Aufnahme finden kann. 
    Muß mit Max u Moriz darüber 
    reden. Dieser Mittwoch ist frei. Rank 
    ist auf der griechischen Reise.

  • S.

    Ich gedenke Freitag 14. 8h05 mit der 
    Südbahn abzureisen u 12.55 in Bozen 
    anzulangen. Wenn Sie über Marburg 
    fahren (5h), steigen Sie 1.33 nachts zu 
    mir ein. Vielleicht wälen Sie aber 
    eine andere Reisezeit. Lassen Sie 
    es mich rechtzeitig wissen. Ich meine 
    wenn das Wetter oder anderer Zauber 
    nicht zu großartig ist, kann ich mich mit 
    der Rückkehr Dienstag früh begnügen. 
    Ich muß es eigentlich, da meine Frau 
    u Sophia Dienstag abds nach Karls-
    bad abgehen. Es käme also nur in 
    Betracht, Donnerstag abds zu reisen, wen̄ 
    man es bequemer haben will, u 
    das sind allerdings 300 K mehr in 
    einer Zeit, wo Geld theuer ist.

    Ich erwarte Ihre Nachrichten 
    u grüße Sie herzlich: auf 
    Wiedersehen
    Ihr
    Freud

     

    in der letzten Mittwochdiskussion: In der Sitzung vom 5.4.1911 (Protokolle III, S. 209-217) hatten Freud und Stekel unterschiedliche Auffassungen über Deutungen von bestimmten Träumen und Verhaltensweisen vertreten.

    Aufsatz von Kovács: Siehe 208 Fer und Anm. 3.

    „Angewandten“: Schriften zur angewandten Seelenkunde