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    15. 2. 14
    PROF. DR. FREUD        WIEN, IX. BERGGASSE 19.

    Lieber Freund
    Das mit Jelgersma scheint ja wirklich
    eine große Chose zu sein. Vor Ihrem
    Brief hatte ich schon seine Broschüre
    und die Zeitungsnummer durch Renterghem
    erhalten. Tags darauf kam ein Brief
    von ihm, der alle Ihre Angaben bestätigt
    und wirklich sehr liebenswürdig ist. Also
    ein offizieller Psychiater, der die
    ψA mit Haut und Haaren schluckt! Was
    man nicht alles erleben kann!
    Seinen Brief schicke ich Ihnen zu, sobald
    er von Ferenczi zurück und am Mittwoch
    vorgelesen ist. Heller hat die Absicht, ihm
    zu schreiben und eine deutsche Ausgabe
    zu veranlassen. Für die Zeitschrift wäre
    es doch nichts, da es, glaube ich, mit keinem
    Wort über die Traumdeutung hinausgeht.
    Die „Beiträge zur Geschichte der ψa Beweg-
    ung“ sind vor einer Stunde in der
    Rohschrift fertig geworden. Sie wandern
    jetzt nach Bpest u werden Ihnen von
    dort zugehen als erster Beitrag zum
    Jahrbuch von meiner Seite. Es war harte
    Arbeit. Ich habe Ihnen dazu nichts zu
    sagen als die berühmten Worte:
    Coraggio Casimiro! Wenn Sie mir Be-
    merkungen u Korrekturen dazu

  • S.

    geben wollen, verspreche ich sehr dankbar
    zu sein. Ferenczi wird es auch tun.
    Unsere Sommerpläne sind noch ganz
    amorph. Wir sind keine Familie
    mehr, nur noch drei alte Leute.
    Selbst meine kleine Tochter will heuer
    allein nach England, wie Ihre liebe
    Frau noch erinnert. Was für Revol-
    ution der erwartete Gast in Hambg
    machen wird, weiß man auch noch
    nicht. Wir dürfen uns also recht an-
    schlußbedürftig zeigen, verschieben
    aber Pläne auf den letzten Moment.
    Die Höhe in Südtirol schließt meine Schwägerin
    aus; es bleibt möglich, daß meine Frau
    und ich für einen Teil der Zeit hingehen
    (Madonna di Campiglio?).
    Wenn Sie etwas für den armen Reik
    tun können, der hier zu nichts kommt,
    wäre es sehr schön. Er hat offenkundige
    Fehler, aber er ist ein guter, bescheidener
    Junge, von starker Anhänglichkeit,
    fester Überzeugung u kann gut schreiben.
    Mit herzlichen Grüßen
    für Sie u die Ihrigen
    Ihr getreuer
    Freud