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[Briefkopf Wien] 21. Dez. 17 Lieber Freund Ich bin schon froh zu hören, daß Sie überhaupt Zukunftspläne machen dürfen. Wenn ich etwas dazu tun kann, soll es gerne geschehen. Aber ein starkes Gefühl warnt mich, an B.[onhoeffer] zu schreiben. Lege ich diesem Gedanken unter, so lauten sie: ich finde an Ihrem Bericht über das Gespräch mit ihm nichts, was besonders hoffnungsvoll klingt, ich bin zweifelhaft, ob Ihnen mein persönliches Einschreiten mehr nützen als schaden kann, und ich verspüre ein Widerstreben, mit einem Fremden in Verkehr zu treten, von dessen Seite ich nicht einmal der gebräuchlichen Höflichkeit sicher bin. Selbst K.[raus], der mir doch durchaus freundlich gesinnt ist, brachte es nicht über sich, einen meiner beiden an ihn gerichteten Briefe zu beantworten. Die Art, wie die Mitarbeiterschaft an seinem Handbuch verlaufen ist, bei der ich mich schon durch die Rücksicht auf seine Beziehung zu Ihnen leiten ließ, kann auch nur warnend auf mich
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gewirkt haben. Aus diesen Gründen ziehe ich es bei weitem vor, wiederum an K. zu schreiben, wo das Eis ja schon gebrochen ist, und an meinen Brief in der Zeit vor dem Krieg anknüpfend, ihn zu ersuchen, daß er Sie bei B. unterstütze. Ich werde es noch in dieser Woche tun, viel Wert hat es auch nicht. Ich werde mich etwa so ausdrücken: daß ich wüßte, Sie seien keiner von jenen, die wissen- schaftliche Gegnerschaft in persönliche Gehässigkeit umsetzen und damit die Würde des wissenschaftlichen Betriebs (in unserem Sinn wenigstens!) verletzen könnten. Sonst nichts Neues bei mir. Sind es wirklich zehn Jahre? Bedeutungsvoll und inhaltsreich genug. Nicht durchaus erfreulich. Ich grüße Sie und die Ihrigen herzlich Ihr Freud
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