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S.
PROF. DR. FREUD WIEN, IX. BERGGASSE 19
18. Dez. 18
Lieber Freund
Sie werden jetzt hören wollen, welche Be-
stimmungen Bleuler für unsere Zusam̄en-
kunft getroffen hat. Nun, keine; ich habe bisher
noch nichts von ihm gehört, bin gefaßt
darauf, daß er erst im vorletzten Moment
Nachricht giebt und im letzten Schwierigkeiten
macht. Er ist sehr gelungen. Ich nehme aber an,
daß wir beide uns jedenfalls in München
treffen. Verabredungen eventuell tele-
graphisch.Was Sie über Ihre Arbeit geheimnisvoll schreiben,
macht mich sehr gespannt. Sie haben Recht,
man darf nicht mehr verraten. Mein Schreber
ist fertig, ein kleiner Nachtrag oder eigentlich
Vortrag, die Formulirungen über die
zwei Prinzipien, wird heute fixirt. Das
Ganze lege ich dann in Ihre Hände. Der
Schreber ist formell unausgebildet, wirklich
nur flüchtig hingemacht, wie bei meinen
Zeit‑ und Kräfteverhältnißen nicht anders
möglich war, aber er enthält einige schöne
Momente u stellt den kühnsten Stoß
gegen die +++Psychiatrie seit Ihrer Dem.
pr. dar. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten
bin ich dießmal über die innere Güte
ganz urteilslos, dank der dabei vorge-
fallenen Bekämpfung innerer Komplexe
(Fliess) – Zur Aufnahme solcher Arbeiten
wie in Ihren Diag. Ass. Studien haben -
S.
wir uns ja im Titel des Jahrbuches ausdrücklich
das Recht gewahrt. Der neue Halbband ist
mir für diese Woche versprochen worden.
Ich muß die Apologie gelesen haben, ehe ich
mit ihm (Bl) zusammenkomme.Gestern ist die englische Übersetzung der Sexual-
theorie eingetroffen, mit ein paar prächtigen
Seiten von Putnam eingeleitet. Das
Verständnis u Benehmen dieses alten
Puritaners übertrifft doch alle Erwart-
ungen.Dr Bjerre aus Stockholm (Ihnen schon gemeldet)
der die ΨΑ in Schweden vorstellen will, hat
sich für die ersten Januartage ange-
kündigt.Dr Debruin ist jetzt bei mir. Bei ihm großer
Krach wie im Geld (Geheimnis!!) so auch in
der ΨΑ. Er hat jetzt Widerstand, wird also
vielleicht plastisch sein.Vom Zentralblatt erhielt ich nur zwei
Exemplare, hoffe also, das dritte ist an
Sie gelangt.Ich schreibe Ihnen, sobald ich von dem
Zauderer auf Burghölzli etwas weiß
Ich schmachte nach ein paar freien Tagen
u freien Worten.
Herzlich Ihr
Freud