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S.
PROF. DR. FREUD
WIEN IX., BERGGASSE 19BGastein 10.8.21
Lieber Doktor
Der schöne Som̄eraufenthalt geht nun bald zu
Ende, am 14t Son̄tag reisen wir ab u am 15t.
eröffnen wir den Aufenthalt in Seefeld
i. T. Kurheim. Mein Unwolsein ist in der
Tat längst überwunden, wie ich hoffe das in
Ihrer Familie. Die Welt läßt mir in den
letzten Tagen Ruhe, ich habe nichts beizulegen.
Mrs Riviere will im Januar zur Analyse
komen, Claparède antwortet auf meinen
Dank in einer zärtlichen Karte, das ist alles.
Die verdorbene Stelle habe ich in der Ratlosig-
keit, ich hoffe richtig, hergestellt, unter
zunehmender Abneigung gegen den Platten-
druck. Das Referat über den Okkulitsm
ist vollendet. Ich hatte kaum Zeit es jetzt zu
machen. Emden u Frau sind hier, meine Nichte
Lucie Wiener mit ihren zwei Jungen, wir
speisen zu 8 Personen u leben gesellig.
Es ist immer noch zu heiß um zu gehen.
Gestern stürzte ich unversehens in die Arme
Heller’s, der von seiner Frau begleitet
ergraut, verdukt u gealtert herangeschlichen
kam. Er war durchaus holde Zärtlichkeit,
spendet Versprechungen u patholog. Symptome
als Bestätigungen der ΨΑ, fand mich um
0 J verjüngt u war selig. Ich war so bos-
haft, nichts von dem was uns trennen
konnte, mit einem Laut zu erwähnen.Von Reik habe ich nichts gewußt, wenn
er bedenklich ist wird der Fond gerne
mit einem großen Betrag aushelfen. -
S.
Ihre interessanten Ausführungen zum Vergleich
von Mythos und Urgeschichte habe ich nichts entgegen-
zusetzen. Es ja alles darauf, dass ich in Totem –
wie im Gesellschaftsvertrag die Urtatsachen im
Negativ enthalten sind, daß die Eltern durch
Thiere ersetzt werden können, bleibt ein
Problem, aber doch vielleicht eher ein Grund-
faktum dh etwas das seine Erklärung von
ganz wo andersher erwartet.Beiliegend schicke ich Ihnen den Keim eines Ein-
bruchs in Ihr eigenstes Gebiet, des Versuchs,
das Rätsel Goethe von einer Figur aus zu
entschleiern. Es ist Reaktion auf die Lektüre
der großen Biographie von E. Ludwig, die
soviel menschliches Material bringt, aber
auch nicht eine Spur aufzeigt, die zum Dichter
führt. Der Vorwurf, den man unseren
Psychographien gemacht hat, trifft vielmehr
weit intensiver diese Weise wie alle anderen nicht
analytischen. Natürlich wird es mich interessiren,
Ihre Bemerkgen zu den Notizen zu erfahren.
Die Spur die von der Analyse des Sandman̄es
hieher führt, werden Sie leicht finden.Am 19t hoffe ich in Seefeld Kurheim einzu-
treffen. Der deutschen Visa wegen
möchte ich natürlich wissen, wann Sie Ihre
Reise antreten u wann wir Ihnen
die Pässe schicken können, auch die
Details hiezu. Auch die Daten unseres
Kongreßes müßen bald festgesetzt
werden.Mein Jüngster in Berlin heißt
Gabriel, er soll seinem Vater sehr
ähnlich sehen.Herzl. Gruß für Sie u Ihre Frau
von Ihrem
Freud