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    PROF. DR. FREUD 
    WIEN IX., BERGGASSE 19

    20. VI. 24.

    Lieber Herr Doktor,

    Ich beantworte Ihre beiden Briefe kurz, weil es mir daran liegt, 
    sie möglichst bald zu beantworten, um gewisse Möglichkeiten aus dem Weg 
    zu räumen, beschränke mich also auf zwei Punkte, Ihre Beziehung zu mei-
    nen Verwandten und die amerikanischen Rechte.

    Zum ersteren: ich kann nicht verstehen, wie Edward zu seiner un-
    höflichen Antwort gekommen ist. Vielleicht verstösst Ihr Brief wirklich 
    gegen das amerikanische Zeremoniell, aber er ist sonst ein guter Kerl 
    und könnte ja wissen, daß ein Fremder in Newyork diese Formensprache 
    nicht leicht beherrscht. Daß Sie von diesen Personen als Abtrünniger 
    oder als Gegner aufgefaßt werden, ist eine Idee, die ich Ihrer pessimi-
    stischen Stimmung auf die Rechnung schreiben muss. Denn erstens wissen 
    die nichts von jenen Vorgängen, die etwa zum Misstrauen der Berliner 
    geführt haben, und zweitens müssen sie aus meinen Briefen doch zu einer 
    ganz andern Erwartung gekommen sein. Kurz, ich kann mir das nicht er-
    klären und werde an meinen Neffen direkt um Auskunft schreiben.

    Eben so dunkel ist mir die zweite Affäre. Ich kann Ihrer Mitteilung 
    das Folgende an die Seite stellen. Vor einigen Tagen erzählte mir 
    Rickman, er habe Nachricht von Glover, sie hätten einen Verleger 
    gefunden, einen Freund von Strachey, den Namen habe ich vergessen, der bereit sei, 
    ihre Publikationen zu erwerben, vorausgesetzt, daß die amerikanischen 
    Rechte meiner Bücher mitverkauft würden. Das enthielt natürlich die Auf-
    forderung an mich, diesen Verkauf zu gestatten. Meine entschiedene Ant-
    wort war, daß Sie jetzt die alleinige Verfügung über die amerikanischen 
    Rechte haben und daß es mir nicht einfällt, eine Aenderung zu treffen. 
    Nach dem Erhalt Ihres Briefes mit der Nachricht, daß Jones diese Rechte 
    bereits verkauft hat, legte ich den Sachverhalt Rickman vor und bat ihn 
    um Aufklärung des Widerspruches. Er meinte Jones wolle Sie einfach

  • S.

    bluffen, damit Sie unterdes dort in Amerika nichts abschliessen. Wir 
    waren beide einig in der Verurteilung dieses Benehmens. Ich ersehe aber 
    aus Ihrem Brief, dass Sie nicht sicher sind, ob sie Jones richtig 
    verstanden haben. Jedenfalls sende ich Ihnen morgen ein Kabel, welches 
    Sie versichert, daß sich nichts geändert hat und schreibe heute an 
    Jones um meine Entschliessung nochmals zu betonen. Ich stelle es Ihnen 
    dann anheim, ob Sie Jones’ Käufer die Berechtigung geben wollen oder 
    nicht. Verfahren Sie nach Ihrer besten Einsicht.

    Ich hoffe, Ihre Frau und Tochter noch in dieser Woche zum Abschied 
    zu sehen. Mein Befinden ist nicht schlecht, die Prothese ist in 
    Ordnung, aber es gibt Quälereien genug. Wir haben den Plan aufgegeben, 
    in die Schweiz zu gehen und suchen einen Sommeraufenthalt in bequemer 
    Nähe.

    Mit herzlichen Nachrichten und in Erwartung Ihrer intimen Nachrichten
    Ihr

    Freud