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S.
PROF. DR. FREUD WIEN, IX., BERGGASSE 19.
9. 4. 1927
Liebe Ruth
Ihr heutiger Brief vom 26. März
ist in so interessanter Weise überholt,
out of date. Der Froschgott ist längst ver-
schmerzt, Ruths kann ihn nicht zurückgeben,
auch wenn er mit ihm nach Ascona reist,
denn er hat ihn aus Ärger im Garten
von Tegel zerschlagen, ich kann mich kaum
erinnern, daß ich je in Berlin war; ich
habe bereits eingesehen, daß Sie mit Brill
Recht hatten u daß man ihn nicht ver-
meiden durfte, und vom Frühling ist
hier noch kein Spürchen zu sehen, kein
Blümchen im Gras, keine Knospe an
den Bäumen; vorgestern frischer Schnee-
fall u grimmige Kälte. Nun möchte
ich noch wünschen, daß auf Ihrer Seite
auch die Milchknappheit der Vergangen-
heit angehöre, aber wenn das Baby auch
zunimmt, ist es ja recht, auf welche Weise.Alles was Sie über über Amerika schreiben,
habe ich mit Andacht aufgenommen. In
einem Punkt verstehe ich Sie nicht.
Wenn Ihre Amerikaner bereit sind, den
Verlag nicht als business, sondern als institut-
ion aufzufassen, welchen Anstoß können
sie dann noch an einem Defizit nehmen?
Die drei daran geknüpften Fragen sind
auch leicht zu beantworten. Der Fond ist
bereit zu existiren, aber er existirt nicht,
da er nichts hat; die Verwendung des
Geldes ist die bekannte, dem Verlag
zu ermöglichen, auch weiterhin die Zeit-
schriften und die psa. Literatur heraus-
zubringen, eine Reorganisation, die
ihn aktiv macht, ist nicht möglich, er wird
fortdauernd Unterstützung brauchen;
Sparsamkeit und Einschränkung
der Produktion sollen den Bedarf
danach möglichst herabsetzen. Die
ganze Situation ist ungeheuer einfach -
S.
Übrigens, was man nicht mitzuteilen braucht, ist
es eine Tatsache, daß die Kauflust für unsere
Produktionen in Deutschland, das für uns
fast allein in Betracht kommt, erheblich
nachläßt.Unser stärkstes Interesse ist gegenwärtig
die Suche nach einem Som̄eraufenthalt, der
viel zu leisten hat: gute Lust und schönen
Wald für uns alle, ebene Wege für die
Alten, einen See zum Baden für die
Jugend und ein gutes Hotel für die Leute,
die mit mir gehen und die Kosten bezalen
sollen. (Ruths, zwei amerikan. Ärzte, ¿estreise
Marie usw). Bis jetzt haben wir nichts und
sind in Sorge, auf wieviel wir werden
verzichten müßen.Dorothy zieht im Herbst in unser Haus ein,
ihre Analyse ist schön und geht gut. David
geht auch aber er wird langweilig, weil
er sich mit den Dingen spielt und
keinen Lebensernst aufbringt.Ich bin seit der Rückkehr aus Berlin
entschieden aufgefrischt und besser trotz
der Fortdauer aller meiner Beschwerden,
Am gestrigen Abend war auch Schilder
wieder anwesend. Er äußerte sich sehr
befriedigt von seinem Aufenthalt in
Amerika; was er sprach, klang aber, als
ob er dort nicht gescheiter geworden
wäre.Ich grüße Sie Alle jetzt wo Sie
schon eine kleine Familie sind,
herzlich u hoffe bald von Ihnen
zu hören.
Ihr
FreudP.S. Anna’s Reise nach Paris zur Zusam̄en-
kunft mit Jones scheint nicht ganz
erfolglos gewesen zu sein, obwol
die aus den Gegensätzen drohenden
Gefahren keineswegs beschworen
sind.