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S.
PROF. DR. FREUD WIEN IX., BERGGASSE 19
Tegel 12. 5. 1930.Meine liebe Ruth
Habe ich richtig gehört, daß Sie
Nachricht über David haben
wollen, sofort nachdem ich
ihn gesehen? Nun das war
heute. Er sah recht gut aus,
schien völlig unverändert,
begann von seinen
Experimenten u bescheidenen
Exzeßen mit derselben
Umständlichkeit wie
immer zu erzälen. Nichts
was irgend eine Besorgnis
rechtfertigen kann, wie
sie vielleicht durch das
Benehmen von Alice
bei Ihnen geweckt
worden ist.Aus einem Brief von Marie
ersehe, wie hoch sie Ihnen
die Reise zu ihrer
Operation anrechnet. Ich
muß sagen, daß Sie es
so ungern gethan haben,
erhöht eher Ihr Ver-
dienst, als daß es
dasselbe herabsetzt. -
S.
Ich hoffe, Sie lassen mich sehr
bald wissen, was zu erfahren
ist. Mir selbst geht es hier
vortrefflich bis auf die
ärgerlichen Magenempfind-
ungen (bei sehr gutem
Appetit). Vielleicht schreibe
ich Schur darüber.
Der Aufenthalt hier ist
noch nicht begrenzt.
Die Einkäufe bei Lederer
sind diesmal besonders
prächtig ausgefallen.Anna u selbst Dorothy
erholen sich hier sehr.
Meine besten Wünsche
sind bei Ihnen im
American Hospital.
Herzlich
Freud