• S.

    PROF. DR. FREUD 
    WIEN, IX., BERGGASSE 19.

    8. 1. 1929

    Dear Ruth

    Beides hätte ich Ihnen vorher 
    sagen können, daß es Ihnen 
    nicht gelingen wird, von einem 
    reichen Amerikaner Geld 
    für die Analyse zu bekom̄en, 
    und daß es lange dauern 
    wird, bis Ihnen die New Yorker 
    Ihren langen Aufenthalt in 
    Wien und Ihre Beziehung zu 
    mir verzeihen. Letzteres 
    braucht keine Erklärung, erste-
    res findet sie darin, daß 
    der Amerikaner in his innermost 
    heart die Analyse verab-
    scheut, von der er die Stör-
    ung aller seiner theuern 
    Einschätzungen –nicht mit Un-
    recht – befürchtet.

    Wittels hat nun auch mir von der 
    zweiten Auflage der Biographie 
    geschrieben u hinzugefügt: „Sie 
    können sich meine Verlegen-
    heit denken. Ich finde den 
    richtigen Ausweg nicht. Viel-
    leicht lasse ich die Sache 
    überhaupt vergriffen bleiben.“ 
    Ich habe ihm darauf in 
    einem Brief geantwortet, 
    der wie wir sagen, gepfeffert 
    und gesalzen ist. Ich bin 
    neugierig, ob er ihn jemand 
    zeigen wird.

  • S.

    Mein Katarrh nimmt zu und quält 
    mich abscheulich.  Die Prothese kom̄t 
    gegen ihn nicht auf.  Es ist sehr 
    lieb von Mark, daß er sich 
    ein Mittel zu meiner Hilfe 
    einfallen läßt. Ich werde 
    es auch gewiß versuchen, wie 
    auch noch etwas anderes. Marie
    die hergestellt, steril ist und 
    Wien in einigen Tagen ver-
    lassen wird, hat sich zur Ver-
    wendung bei Rückfällen einen 
    Bakteriophagen gegen ihr B coli 
    herstellen lassen u rät mir, 
    von dem Dr Herelle in Paris
    der solches fabrizirt, einen Bacterio-
    phagen gegen meine Eiterung 
    kom̄en zu lassen. Vederomo!

    David hat sich zufolge meiner 
    energischen Drohung aufgerafft 
    u versucht wieder, für die 
    Prüfung zu studieren. Er ist 
    ja kein rechter Neurotiker 
    sondern ein Perverser u 
    muß gewalttätig behandelt 
    werden.

    Der von Ruths angekündigte 
    egyptische Gott läßt auf sich 
    warten wie der Messias
    Er soll Ihnen sofort gemeldet 
    werden.

    Herzlichste Grüße 
    für Sie u Mark von 
    Freud