S.

Grunewald, 7. 8. 20

Lieber Herr Professor,
Also Sie sind endlich in den Ferien! Ich wünsche Ihnen und den Ihrigen recht gute Erholung, die Sie als Wiener vollauf verdient haben. Meine Ferien sind bereits um. Eine größere Reise haben wir unterlassen, weil wir uns in unsrer villenartigen Wohnung sehr wohl fühlen und es wahrscheinlich an den meisten Orten weniger behaglich hätten. Zu Anfang der Ferien besuchten wir mit den Kindern meine Mutter in Bremen; die Rückfahrt be- nutzten wir, um ein paar alte interessante Weser-Städtchen kennen zu lernen. Am Schluß feierten wir in Nordhausen am Harz die Verlobung meines Bruders und machten noch ein paar schöne Ausflüge ins Gebirge. Nun fängt die Tätigkeit hier wieder an, die freilich in vier Wochen durch den Kongreß noch einmal eine erwünschte Unterbrechung erfahren soll.
Rank schrieb mir, ich solle mich mit Ihnen, Herr Professor, wegen Zeit und Ort des Zusammentreffens verständigen. Ich wäre sehr froh,  vor dem Kongreß wenigstens ein paar Stunden mit Ihnen zusammensein zu können. Aus einer früheren Mitteilung von Ihnen vermute ich, daß Sie  vor dem Kongreß in Hamburg sind. Von Hamburg geht die sehr gute direkte Verbindung nach Holland über Bremen – Osnabrück. Wahrscheinlich habe ich nun Anlaß, am Sonntag den 5. September in Bremen zu sein. Ich könnte dann am Montag Vormittag zu Ihnen in Bremen in den Zug steigen. Dieser fährt von Hamburg Hauptbahnhof 9 35 ab und ist um 11 54 in Bremen. In Osnabrück, wo man auf den Berliner Zug trifft, hat man eine Stunde Zeit und Gelegenheit zum Mittagessen. Wir wären auf diese Art wenigstens drei Stunden ungestört. Wenn Ihre Zeit  mehr ermöglicht, so soll es mir
gewiß recht sein. Dies ist nur ein Minimalvorschlag.
Von Urban und Schwarzenberg habe auch ich noch nichts vernommen. Auch in der Professur-Sache ist noch Stille. Sachs siedelt nun bestimmt nach dem Kongreß hierher über, worauf wir uns alle freuen. Frau Hug-H.[ellmuth] beginnt ihren Kurs am 12. August mit etwa 50 Teilnehmern.
Wann passieren Sie auf der Fahrt nach Hamburg Berlin? Fällt da nicht schon ein bißchen Zeit für uns ab? Sie würden in unserm Garten ganz vergessen, daß man vor den Toren von Berlin ist! Also ich hoffe auf günstige Nachricht!
Mit herzlichen Grüßen, auch von meiner Frau,
Ihr Abraham