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    16. 5. 25  

    Liebe Freunde,  

    Da Max noch nicht von der Reise zurück ist, trägt dieser Brief  
    nur 2 Unterschriften. Wir geben zuerst unsrer Freude Ausdruck, daß wir  
    nicht nur von Besuchern, sondern in dem heute bereits eingetroffenen Wiener  
    Brief auch direkt so beruhigende Nachrichten über Ihr Befinden, l. Herr Prof.,  
    haben. Leider ebenso gleichmäßig, aber im ungünstigen Sinne lauten die 
    Berichte über Otto’s Zustand.  

    Sehr erfreulich ist das Erscheinen der verschiedenen Bücher im  
    Verlag. Von den Zeitschriften hingegen haben wir hier noch nichts zu sehen  
    bekommen. An der Redaktion liegt es nicht, denn die folgende Nummer der Z.  
    ist bereits redaktionell längst fertiggestellt.  

    Die Mehrheit hat entschieden, daß ein Symposion auf dem Kongreß  
    nicht stattfinden soll. Dagegen laufen fortgesetzt Anmeldungen von Vor-  
    trägen ein, z. B. von Budapest allein sechs, sodaß Zweifel entstehen, ob  
    sich alle werden unterbringen lassen. Bis zum nächsten Brief werden wir  
    bereits eine Übersicht bzw. ein fertiges Programm haben.  

    In Berlin haben wir eine lebhafte Zeit. In der Medizinischen Gesellsch.  
    hielt Moll einen üblen Vortrag, den er nun auch in einer Zeitung ver-
    öffentlicht hat. In der Tagespresse ist viel über Psa. zu lesen, meist im  
    negativen Sinne, aber nicht immer. Unsre Kurse sind besonders erfolgreich.  
    Hanns hat im Kurs „Ps-analytisches über den Umgang mit Menschen“ ca. 60 Hörer, 
    ich (A) über 50 zu „Psychologie des Verbrechens“. Wir haben einen erfreulichen  
    Zuwachs an Ausbildungs-Kandidaten. Für die vielfach unfreundliche Stimmung  
    der Presse entschädigen uns mancherlei andre Tatsachen. Beispielsweise hat  
    Stefan Zweig sein neues Buch (über Kleist, Hölderlin, Nietzsche) Herrn Prof.  
    gewidmet. Um auch das Belustigende nicht fehlen zu lassen, sei aus einer  
    Broschüre „Die Messung der geistigen Energie“ von Friedrich Sommer folgende  
    Stelle zitiert: „Da wurde ich eines Tages mit der Psa. bekannt, und diese  

  • S.

    Stelle zitiert: „Da wurde ich eines Tages mit der Psa. bekannt, und diese  
    brachte mich dann der christlichen Religion näher.“  

    Etwas verwunderlich war uns allen dreien, was Du, l. Sándor in  
    Sachen Groddeck schriebst. Das in unsrem vorigen Brief gesagte war nicht  
    die Meinung eines von uns, sondern unsre gemeinsame Ansicht. Um einen etwas  
    vollständigeren Eindruck zu geben, sei noch erwähnt, daß Gr. in jenem  
    Vortrag mit großer Ausführlichkeit und im Detail über seine eigne Onanie  
    berichtete. Für seine Originalität haben wir alle Achtung, aber sein hiesiges  
    Auftreten kann man nur billigen, wenn man zu seinen Gunsten alles durch die 
    rosafarbene Brille sieht. Im übrigen haben wir es Gr. gegenüber nie an  
    Entgegenkommen fehlen lassen, und gar von Drohun-gen war schon niemals die  
    Rede. Aus letzter Zeit ist zu erwähnen, daß Gr. an den Kassierer der Berl.  
    Gruppe kürzlich seine rückständigen Beiträge gezahlt hat, unter Hinzufügung  
    einer Gabe für die Poliklinik und mit Entschuldigung seines voraufgegangenen  
    Verhaltens. – Damit ist diese Angelegenheit für den Augenblick wohl erledigt. 

    Demnächst soll ich (A) in Holland 3 Vorträge halten, und zwar 2 in  
    Leiden vor Psychiatern (psa. Therapie schizophrener Zustände) und 1 in der  
    Med. Gesellschaft im Haag über das hysterische Symptom.  

    Mit unsern besten Grüßen  

                                Abraham       Sachs