• S.

    Berlin, 21.11.21

    Liebe Freunde

    Heute ist Einiges vom Betrieb unseres Instituts zu berichten. Der Zu-
    spruch von Patienten ist in letzter Zeit etwas schwächer, doch sind immer 
    etwa 50 – 60 Personen in Behandlung. Auch in der Privatpraxis war eine 
    Zeit lang wenig Zugang, neuestens hat sich das aber wieder geändert, so 
    daß ich (A) z.B. Hárnik zwei neue Patientinnen zuweisen konnte. Au-
    genblicklich sind alle Kollegen ausreichend beschäftigt, mit Ausnahme 
    von Alexander, der noch im ersten Anfang der Praxis steht. Eitingon ist 
    mit seinen Leistungen in der Poliklinik besonders zufrieden. Er hat von 
    allen anderen jüngeren Mitarbeitern die größte psychol. Begabung.– Au-
    ßer den wissenschaftlichen Abenden (3 im Monat) finden jetzt nach Be-
    darf poliklinische Abende statt, an welchen sich die Mitarbeiter der 
    Pol[iklinik] zur Besprechung technischer Fragen zusammenfinden. Über 
    den Einführungs-Kursus wurde schon berichtet. Simmel hat in seinem 
    Kurs (ps-a Gesichtspunkte für den prakt[ischen] Arzt) 6 bis 8 Hörer. 
    Sachs (Sexualprobleme in der psychoanalytischen Praxis) ca. 12 Hörer.– 
    Sachs teilt mit, daß unser Buchhandel Mangel an den meist geforderten 
    Werken hat, besonders fehlen von Herrn Prof.: Vorlesungen, kl. Schrif-
    ten, 3 Abhandl., Traumdt.

    Vor einiger Zeit nahm an unsern Kursen ein Dr. med. Paneth aus Wien 
    teil. Er wollte Analytiker werden, entzog sich aber aus durchsichtigen 
    Gründen der Analyse durch Sachs. Jetzt hält er bei einem Kino- 
    Unternehmen einen Begleit-Vortrag zu dem Film „Aus der Unterwelt des 
    Seelenlebens (hypnotisch etc.). Angeblich will er später doch zur Ana- 
    lyse kommen. 

    Kürzlich war bei mir eine Dame mit schwerer Zwangsneurose, die länge-
    re Zeit in Jung’s Behandlung war. Ich hörte einiges Bezeichnende über 
    Traumdeutungen, besonders über folgenden charakteristischen Rat-
    schlag, den er der Pat. gegeben hat: sie solle sich einer ernsten Aufgabe 
    zuwenden; diese werde so viel Libido absorbieren, daß für die neuroti-
    schen Symptome nichts übrig bleiben werde!!! Nun handelt es sich um 
    eine Frau, die studiert und ihr Examen gemacht hat und deren Zwang 
    darin besteht, daß sie neben jeder Tätigkeit gleichzeitig eine zweite ent-
    gegengesetzte treiben muß.

    Wien: Brief vom 11. ist nicht eingetroffen.

    Anbei für Rank eine nette Kleinigkeit für die Sammlung zur Kinderpsy-
    chologie.

    London: Ich habe an Lüthy, den Kassierer der Schweizer Gruppe ge-
    schrieben und ihn gebeten, direkt an Flügel mitzuteilen, welche 4 Mit- 
    glieder in deutscher Währung gezahlt haben.– Was soll ich mit den 
    32 Mark tun? Soll ich sie an Fl[ügel] senden?

    Budapest: Briefe vom 3. & 11. Nov. erhalten. Wir freuen uns über Wie-
    derherstellung der Verbindung. Betr. Frau Dr. Benedek fragte ich Hárnik, 
    der sie von der Studienzeit her kennt (Galilei-Verein), sie hieß 

  • S.

    damals Friedmann, Therese.

    Wegen der Vorträge in Wien kann ich heute nichts sagen, 
    weil der Wiener Brief ausgeblieben ist, der vermutlich etwas über die-
    sen Punkt enthält. Ev. schreibe ich Dir l. Ferenczi direkt darüber.

    Mit herzlichen Grüßen

    Abraham                   Sachs                 Eitingon