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16. XII. 24.
Liebe Freunde!
Unser voriger Brief enthielt bereits die Antwort auf die
Briefe von Wien, Budapest und London, sodass wir heute nur einen Be-
richt über die hiesigen Vorgänge geben.In diesem Winter ist das Interesse an der Psa. in Berlin außer-
ordentlich gestiegen. Von verschiedenen Seiten werden populäre Vor-
träge veranstaltet, und die allgemeine Teilnahme des Publikums an den
Fragen ist sehr gesteigert. Zum Teil sprachen hier auswärtige Redner.
In der religionswissenschaftlichen Gesellschaft sprach Pfister.
Der Vortrag, im Ganzen gut, nur an manchen Stellen schwach und unge-
schickt, wurde sehr freundlich aufgenommen von einer Zuhörerschaft
von 150 Personen, meist Theologen.In der Lessing Hochschule, einem Institut für populär-wissenschaft-
liche Vorträge, hielt Groddeck 4 Vorträge, die inhaltlich nichts
Neues boten, aber recht seicht und unbefriedigend waren. Sein Benehmen
gegen uns war befremdend. Er hat in den 4 Wochen niemanden von uns
aufgesucht, auch Eitingon nicht, dessen Gast er während des
Kongresses war. Nach unserer Meinung hätte er wohl eine Anzeige der
Vorträge an die Gruppe, deren Mitglied er ist, senden dürfen.Eine ziemlich umfangreiche Vortragstätigkeit entfaltet Hatting-
berg, der aus München unbekannter Gründe halber hierher überge-
siedelt ist. Ohne irgendwie mit der Vereinigung Fühlung zu nehmen,
hat er vom ersten Tage an durch Anzeigen, Zeitungsartikel etc. eine
Reklame betrieben, die allgemein in ärztlichen Kreisen anstößig ge-
funden wird. Neuerdings gibt er mit Marcinowski und
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Schulz, der auch hierher übersiedelt ist, eine Serie von
Schriften heraus, die ebenfalls in reklamehafter Weise angepriesen
wird.Auch sonst macht sich die wilde Analyse bemerkbar. Ein Anhänger
von Stekel, Stoltenhoff, versandte kürzlich Ein-
ladungen zu einer Sitzung der „Gesellschaft für freie psa. Forschung“.
Auch die Adler’sche Individualpsychologie hat ein Grüppchen
gegründet.Alles dies hindert nicht, dass die Arbeit unserer Vereinigung
fortschreitet. Die Poliklinik ist gut frequentiert. Die Nachfrage
von Ärzten und Pädagogen um Ausbildung hält an. Die Unterrichtskurse
waren in diesem Quartal gut besucht. Unsere Vereinssitzungen verlaufen
befriedigend. Für Januar und Februar sind bereits Vorträge für sämtliche
Sitzungen festgesetzt. Am 10. I. spricht Dr. Reich aus Wien
bei uns, während in diesen Tagen Frau Klein von hier in Wien
spricht. Ein derartiger Austausch sollte in Zukunft öfter statt-
finden.Aus Paris erhielt ich (A.) einen Brief von Laforgue. Er erwähnt
einen Besuch von Rank. Der Bericht lässt darauf schließen, dass
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einen Besuch von Rank. Der Bericht lässt darauf schliessen, dass
R. ihn über sein wissenschaftliches Verhältnis zur Psa. sowie seine
Beziehungen zu Herrn Professor und den Anderen nicht informiert hat,
sondern nach bekanntem Muster seine Neuerungen als die Psa. ausgibt.
Im Einverständnis mit M. und H. habe ich Laforgue in meinem
Antwortschreiben über die wirklichen Verhältnisse aufgeklärt.
Wie bereits mitgeteilt, haben sich in Cambridge Schwie-
rigkeiten ergeben, sodass ich nach Rücksprache mit Pfister,
der mich hier besuchte, mit Oberholzer in Verbindung getre-
ten bin. Nachdem ich einige Wochen vergeblich auf Antwort gewartet
habe, habe ich ihm heute noch einmal geschrieben.
Das Referat über das „Trauma a.G.“ hat Hane übernommen und wird es
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Mitte Januar den Comiteé-Mitgliedern unterbreitet.
Eine englische Firma, die sich mit der Herausgabe von psa.
Literatur beschäftigt, will Sachs „Gemeinsame Tagträume“ über-
setzt von Miss M. W. Chadwick zusammen mit dem „Tempest“ in
Buchform herausgeben, vorausgesetzt, daß Ernest resp. Hiller
ihre Zustimmung erteilen. H. bittet um diese, wenn nicht ernste Gegen-
gründe bestehen, da ihm am Erscheinen des Buches sehr gelegen ist.
Wir schließen mit guten Weihnachts- und Neujahrswünschen für Alle!Sachs Abraham Eitingon
[Handschriftliche Randnotiz:]
Mit Rücksicht auf den Schluß des soeben von Wien eingetroffenen Brie-
fes habe ich das Schreiben an Laforgue zurückgehalten.