S.
Berlin 3/21 Berlin 21. I. 21
ANTWORT AUF L, Bp, W 2.
Liebe Freunde,
Der Post-Streik in Oesterreich hat gerade rechtzeitig auf-
gehört, um unsern Briefwechsel nicht zu stören.
London: Unsere englischen Gäste gaben uns einen Ausschnitt
der Pall Mall Gazette mit dem Interview Miss Barbara Low’s. Es bestätigte
uns den Eindruck, den wir schon aus Deinem Brief, l. Jones, empfangen
hatten. Diese Welle der Erregung dürfte sich in kurzer Zeit vorüber-
gehen. Das Publikum pflegt, wenigstens bei uns, an solchen Sachen kein
dauerndes Interesse zu nehmen.
Sehr interessierte uns, was Du über Strömme etc. berichtetest.
Der im Bericht erwähnte Geierstam ist auch weit davon entfernt, zu uns
zu gehören. Vor einigen Tagen schrieb mir Oberholzer, von Geierstam sei
ein Artikel in der Zeitschr. f. Psychotherapie (Moll) erschienen, in
welchem er die PsA in der Schweiz bespricht und es so darstellt, als
sei die Schweiz analytisch alles Jung-Anhänger. Ich werde Oberh.
auf seine Frage raten, eine kurze Erklärung an die genannte Zeitschr. zu
senden. Es scheint zweckmässig, diese Erklärung auch in unserer Z. abzu-
drucken.
Es ist nun längere Zeit vergangen, ohne dass wir von dem
Studenten-Verein in Leipzig etwas gehört haben. Wir selbst können in
dieser Sache wohl nicht die Initiative ergreifen.
Gern würden wir in der Sache Brill eine Ansicht äussern oder
einen Rat geben, aber da die Vermutung begründet ist, dass bei Brill eine
neurotische Empfindlichkeit vorliegt, so würde es nicht anders gehn wie
in unserer täglichen Praxis, dass nämlich die schönsten Rathschläge prak-
tisch nichts helfen, weil man nicht alle Komplikationen berücksichtigen
konnte, die in der Sache und in der Person liegen.
Wien: Harnik arbeitet fleissig an den Referaten, sodass wir
bald die gemeinsame Arbeit werden liefern können. Die Referaten-Frage
muss die nächste Com.-Sitzung beschäftigen! Herrn Prof’s Votum über den
Zeitpunkt der Zusammenkunft erwarten wir im nächsten Briefe.
Die Vertagung des Kongresses auf 1922 wird wohl auch bei uns auf keine
Schwierigkeiten stossen.
Nach Aussage von Frl. Dr. Neiditsch ist seit 1914 in Russland
keine ps-a. Liter. erschienen, ausser einem Aufsatz von Dr. Tatiana
Rosenthal über Dostojewski, hiervon aber auch nur der 1. Teil. Sie ist
bereit, den Bericht durchzusehen und um das Ref. Rosenthal zu ergänzen.
Zusendung ev. an mich!
Auf einige weniger dringliche Punkte, z.B. die Frage des Schreib-
krampfs, komme ich vielleicht nächstes Mal zurück, berichte dann auch
über unsere Generalversammlung (27.I.)
Herzliche Grüsse
Hanns Sachs Abraham
Beilage für Imago, falls geeignet