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S.
Berlin 17. 1. 23
Liebe Freunde,
Von Bp ist kein Rundbrief eingetroffen. Eine heute erhaltene
Anfrage von Dir, l. Sándor, wegen eines Analytikers in Hamburg beant-
worte ich hier sogleich. In H[amburg] ist niemand außer Foerster, den ich aber
für durchaus zuverlässig und tüchtig halte.Wien: Es ist wohl selbstverständlich, daß der Brief nach Mos-
kau in keiner Weise intolerant oder unfreundlich gehalten war. Er ent-
hielt die von Jones geratenen informatorischen Fragen und war, wie
ich versichern kann, durchaus freundlich und entgegenkommend im Ton.Die von Fenichel eingesandte Arbeit kennen wir, da er sie hier
vorgetragen hat. Sie steht stark unter neurotischen Einflüssen, so-
daß eine recht gründliche Prüfung des MS geboten erscheint.Die Anfrage wegen des Autoreferates über meinen Kongreß-
vortrag war nicht unberechtigt. Was im Kongreß-Bericht gedruckt ist, ist
eine kurze Notiz, wie jeder Vortragende sie zur Orientierung an den
Vorstand hatte einsenden sollen, aber als Autoref. ganz unzulänglich.
Aber die Sache ist ja nun erledigt.Ich nehme davon Notiz, daß die Zusammenstellung des Corr.- Bl.
mir nunmehr ganz zufällt. Leider reichlich spät. Denn die in den
gleichzeitig erschienenen Heften der Zeitschrift und des Journal abge-
druckten Berichte decken sich so wenig, daß ich Mühe haben werde, die
Berichterstattung in beiden Zeitschriften auf den gleichen Stand zu
bringen. – Dich, l. Sándor, bitte ich, den neuen Schriftführer zu veran-
lassen, daß er den Bericht über das IV. Quartal 22 bald sendet. Ich
kann mich nicht direkt an ihn wenden, da ich nicht weiß, wer gewählt
wurde. Wien ist im Nichteinsenden hartnäckig, obwohl ich durch Reik
eine Bitte an den neugewählten Schriftführer gesandt habe.Wir hoffen Dich, l. Ernest, wieder hergestellt! Ich nehme an, daß
Glover Dir Bild & Buch (für Deine Frau) überbracht hat.In den ersten Sitzungen des neuen Jahres hatten wir Erfreuliches.
Frau Dr. Bálint-Kovács hielt einen Vortrag über Symbolik in der
mexikanischen Bilderschrift, eine ausgezeichnete Leistung, und unbedingt
wert, bald in Imago zu erscheinen. Als Arbeit einer Anfängerin von
besonderer Gründlichkeit und Schärfe der Auffassung zeugend. Gestern
sprach Sachs über Genese der Perversionen; der Inhalt des Vortrages
ist in Wien schon bekannt.Unsre Kurse sind gut besucht.
Dr. Bychowski hat sich hierher gewandt, um in Berlin zu prak-
tizieren. Soll man ihn dazu ermutigen, oder ist er nicht zuverlässig
genug?Hier ist starke Nachfrage, besonders nach didaktischen Analy-
sen. Durch Übernahme solcher macht sich besonders Radó verdient.
Noch vor einem Jahr waren die Lehranalysen fast ausschließliches
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S.
Ressort von Sachs, die Nachfrage übersteigt aber jetzt weitaus die
Kräfte eines einzelnen.Wir wurden zur Teilnahme an einer Diskussion über sexuelle
Konstitution in der Gesellschaft für Sexual-Wissenschaft aufgefordert.
Wegen früherer unliebsamer Erfahrungen haben wir die Übernahme eines
Kurzreferates abgelehnt und lassen die Beteiligung an der Diskussion dvon
abhängen, ob sie im gegebenen Augenblick lohnend erscheint.Eitingon wird demnächst zurückerwartet.
Herzliche Grüße an alle.
Abraham
Liebe Freunde, ich glaube, es wäre ein großer Erfolg, wenn es Ernest
gelänge, wirklich für die „Press“ eine Stätte in England zu finden. Die Lage
auf dem Kontinent beurteile ich sehr pessimistisch.Herzliche Grüße von
Sachs
P.S. Bei der vorgestrigen Verhandlung hat das Miet-Amt
die Wohnung mir zugesprochen. Meine diesbezüglichen Sorgen
haben sich sehr verringert.
H.