• S.

    Berlin-Grunewald, den 1. April 22.  

    Liebe Freunde!  

    Von hier ist zu melden, daß wir von der Leipziger Studenten-  
    vereinigung eine Aufforderung erhalten haben, im Mai, Juni und  
    Juli je einen Vortrag in Leipzig zu veranstalten. Den ersten Vor-  
    trag werde voraussichtlich ich (A.) halten. Als Thema denke ich  
    mir: „Was ist Ps.A.?“ Es scheint besonders notwendig, den Stu-  
    denten zunächst einmal einen klaren Begriff zu geben, da sie bis-  
    her von sehr verschiedenen Seiten in sehr fragwürdiger Weise  
    orientiert sind. Den zweiten Vortrag wird im Juni Sachs über ein  
    nicht medizinisches Thema halten.  

    London. Es scheint, daß ein Brief verloren gegangen ist,  
    denn wir erfahren von dem freudigen Ereignis in Deiner Familie,  
    lieber Jones, erst aus den Gratulationen der anderen. Wir können  
    daher erst heute unsere Glückwünsche übersenden und hoffen, daß  
    es Mutter und Kind gut geht.  

    Im letzten Brief erbaten wir einen neuen Vorrat an Papier für  
    die Rundbriefe. Es fehlt nur an dünnem Papier für Schreibmaschine,  
    während von dem starken Papier noch Vorrat genug vorhanden ist.  
    Auch Kuverts reichen noch für kurze Zeit.  

    Auf wiederholte Mahnungen hat Sachs nochmals versprochen, Dir  
    zu schreiben. – Der übersandte Traum geht nach Budapest weiter. Er  
    hat mich (A.) besonders interessiert, zumal ich einen in vieler  
    Hinsicht ähnlichen Traum vor Jahren selbst produziert hatte. Übri-  
    gens begrüße ich Dich mit besonderem Vergnügen als Clan-Genossen.  
    Auch in meinem Traum war das gleiche Tier für Vater, Sohn und En-  
    kel verwandt.  

    Vor einiger Zeit war eine Engländerin Frau D. Garley vorüber-  
    gehend in meiner Behandlung. Sie äußerte zuerst versteckt, später  
    offen die Absicht, in London Ps.A. zu treiben. Ich mußte ihr dies  
    mit Rücksicht auf bestimmte persönliche Eigenschaften dringend ab-  
    raten. Da sie augenblicklich in London ist, so sucht sie möglicherweise  
    Anschluß an die dortige Gesellschaft. In diesem Falle rate ich  
    zu größter Vorsicht und bitte vorher genauere Auskunft von  
    mir einzuziehen.  

    Die Einladungen zum Kongreß nach Indien und Südamerika müs-  
    sen sofort versandt werden, da besonders nach Südamerika Briefe  
    sehr lange reisen. Delgado schrieb mir vor längerer Zeit von der  
    Absicht, zum Kongreß zu erscheinen.  

    Wir freuen uns über das gute Ansehen, in welchem die Ps.A.  
    jetzt bei den wissenschaftlichen Gesellschaften in England zu ste-  
    hen scheint, und würden gern etwas zur Erklärung dieser Erschei-  
    nung
     

  • S.

    nung erfahren.  

    Es ist kaum ein Jahr vergangen, seit wir in jedem Brief über  
    die heftige Agitation gegen die Ps.A. hörten. Um so mehr imponiert  
    uns die gegenwärtige Wendung.  

    Budapest: Wir nahmen davon Kenntnis, dass etwa 16 Mitglieder  
    von dort zum Kongress kommen werden und hoffen für alle Unterkunft  
    beschaffen zu können. Angenehm wäre es, auch von Wien die ungefähre  
    Teilnehmerzahl zu erfahren, damit wir recht bald wissen, wieviel  
    Quartiere wir besorgen müssen.  

    Wien. Wir hörten gern von den neuen Aussichten auf Eröff-  
    nung einer Poliklinik und hoffen, im nächsten Brief Günstiges da-  
    rüber zu erfahren.  

    Der im letzten Brief erwähnte Dr. Bychowski möchte in Berlin  
    eine Stellung annehmen. Ein Freund von ihm, der mir bekannt ist,  
    hat sich in seinem Interesse an mich gewandt und mich gebeten, ihm  
    behilflich zu sein. Ich wüsste daher gern Näheres über seine Quali-
    täten. Eventuell käme auch die Frage, ob B. genügend informiert ist,  
    um in der Poliklinik arbeiten zu können.  

    Soll in der Haltung gegenüber der Zeitschrift von Stekel und  
    Tannenbaum eine Änderung eintreten? Als ich vor einiger Zeit auf 
    eine besondere Frechheit in einem Artikel der Zeitschrift hinwies,  
    hast Du, lieber Rank, jedes Eingehen darauf von vorn herein abgewie-  
    sen.  

    Das Bücherlager in unserem Institut hat anstelle von Sachs  
    jetzt Lampl übernommen, da er regelmäßig dort zu tun hat. Übrigens  
    sind vor einigen Tagen vier Bücherpakete, die für das Bücherlager be-  
    stimmt waren, an meine Adresse gelangt. Ich bitte Dich, lieber Rank,  
    dafür Sorge zu tragen, dass die Sendungen künftig richtig adressiert  
    werden.  

    In unserer vorletzten Sitzung hielt einer unserer Gäste, cand.  
    med. Löwenstein, einen kurzen Vortrag über „Schwarze Messen“. Der  
    Vortrag erscheint, wenn einige Zusätze angebracht werden, durchaus  
    druckreif, so dass wir ihn zum Abdruck im Imago empfehlen können.  

    Von Dr. Weiss, Triest, erhielt ich eine grössere Arbeit über  
    einige Grundbegriffe der Ps.A. Er bittet mich, sie auf die Kor-  
    rektheit der Darstellung hin durchzusehen. So weit ich sie bisher  
    durchgesehen habe, macht die Arbeit einen recht guten Eindruck.  

    Vor einigen Wochen kündigtest Du, lieber Rank, uns an, dass  
    Frau
     

  • S.

                                 – 3 –

    Frau Dr. Bondy in Brückenau sich eventuell um die Mitgliedschaft  
    bei uns bewer- ben werde. Wir haben von ihr nichts Direktes gehört,  
    dagegen versendet sie Prospekte eines neu zu gründenden Sanatoriums  
    an alle möglichen Ärzte unter Umgehung der Analytiker. Namentlich aber  
    hören wir sehr Ungünstiges über eine Verquickung der analytischen  
    Bestrebungen mit den unerquicklichsten Formen der Jugendbewegung.  

    Ein junger Arzt, der einige Zeit an der Würzburger Klinik gear-  
    beitet und dort in sehr geschickter Weise Kranke zu analysieren  
    versucht hat, ist von Frau Bondy als Assistent für ihr Unternehmen  
    engagiert worden. Er hat sich dann entschlossen, sich vorher selbst  
    bei Böhm analysieren zu lassen und befindet sich gegenwärtig zu diesem Zweck  
    in Berlin. Von ihm hören wir wenig Erfreuliches über das geplante  
    Unternehmen, von dem er selbst sich zurückzuziehen versucht. Beson-  
    ders auffallend ist uns die geflissentliche Vermeidung jedes Kontak-  
    tes mit unserer Vereinigung. Solltest Du, lieber Rank, mit Frau  
    Bondy korrespondieren, so erwähne bitte nichts über die Quelle, aus  
    welcher ein Teil unserer Kenntnisse stammt.  

    Wenn möglich, füge ich dem Brief noch einen kleinen Beitrag für  
    die Zeitschrift bei.  

                       Mit besten Grüßen  

                       Abraham   Sachs  
                                   Eitingon