• S.

    Berlin-Grunewald, den 21. Januar 22.

    Liebe Freunde!

    Nach der neuesten Verabredung werde ich am Sonntag, den 22.  
    Januar 1922 nach Wien fahren und dort zwei Vorträge halten. Den  
    ersten über das schon genannte Thema, den zweiten über die Ab-  
    fallsbewegungen von Adler und Jung. In Wien wird sich Gelegen-  
    heit ergeben, wegen des kommenden Kongresses Verabredungen zu  
    treffen. Ich freue mich, an einer Sitzung der Wiener Gruppe teil-  
    nehmen zu können.

    Wien. Auch wir haben mit der Zeit immer strengere Bestimmun-  
    gen über Zulassungen von Gästen zu den Sitzungen getroffen. Neu  
    einzuführende Gäste müssen vorher angemeldet sein. Über ihre Zu-  
    lassung wird in einer Sitzung beschlossen. Ausnahmen gibt es nur,  
    bei vorübergehend in Berlin Anwesenden. Nach dreimaliger Teilnah-  
    me an Sitzungen wird beschlossen, ob der Betreffende als dauern-
    der Gast zugelassen werden soll. Personen, die nur ein flüchti-  
    ges Interesse an unserer Sache nehmen, halten wir von vornherein  
    fern.

    Sehr bedauerlich ist die Mitteilung über Schilder; es  
    scheint, daß derartige Enttäuschungen kaum zu vermeiden sind, so  
    lange noch ein Gegensatz zwischen der offiziellen akademischen  
    Schule und uns besteht. Bisher haben wir von akademischer Seite wohl
     

  • S.

    wohl nur Enttäuschungen erlebt. Auch Pötzl hat in unserem Fache  
    bisher nichts Neues geleistet.

    Für die ausführlichen Mitteilungen über literarische Neu-  
    erscheinungen in unserem Verlag und außerhalb besten Dank! Wir  
    betrachten die genaue Berichterstattung über diesen Punkt als ei-  
    nen besonderen Vorzug unserer Korrespondenz.

    Eitingon hat private Nachricht erhalten, dass die französi-  
    sche Ausgabe der Vorlesungen bei dem Verleger Payot bereits ver-  
    griffen ist.

    Budapest. Wir alle würden uns mit einem Bilde des verstor-  
    benen Anton v. Freund freuen, falls dadurch der Witwe keine be-  
    sondere Mühe entsteht.

    Sehr bedaure ich, Dich lieber Ferenczi nicht in Wien ge-  
    troffen zu haben.

    London. Von unserer Seite wird kein Einwand dagegen erho-  
    ben, dass ein Kassierer für die drei mitteleuropäischen Gruppen  
    vorhanden ist. Die beteiligten Gruppen müssen nur ihren Kassie-  
    rern anweisen, dass dieser Stelle die Gelder zu überweisen sind.  
    Besonders muss auch Flügel orientiert sein.

    Ueber den internationalen Kongress in Rom wissen wir nichts  
    Näheres, vermuten aber, dass er dem Kongress, welcher 1921 in  
    Berlin stattfand, ähneln wird, also der von Dir, lieber Jones,  
    vermuteten Richtung entsprechen wird. Was die Uebersetzungen  
    der beiden Wörter betrifft, so entspricht »position« etwa dem  
    Wort
     

  • S.

    „Wort Besetzung“, während „Einstellung“ “attitude” ent-
    spricht.

    Es wird noch in Erinnerung sein, daß auf dem Kongreß im  
    Haag ein Ehepaar Frost aus Bonn erschien. Wir hatten eine Kor-  
    respondenz über Aufnahme des Professors Frost und seiner Frau  
    in unsere Vereinigung. Die Bedenken gegen ihre Aufnahme stellen  
    sich jetzt als gerechtfertigt heraus. Frost ist jetzt Professor  
    in Riga. Besonders die Frau veröffentlicht Zeitungsartikel  
    über Psychoanalyse, die das Unverständlichste sind, was ich je ge-  
    lesen habe. Ein Beispiel geht mit dem Briefe nach Wien. Daß sei-
    nerzeit die Korrespondenz mit Frost vernachlässigt wurde, ist  
    natürlich eine Sache für sich und soll hiermit nicht entschul-  
    digt werden.

    Unsere Gruppe hielt kürzlich ihre Jahresversammlung ab, in  
    der die Neuwahlen stattfanden. Abraham wurde zum Vorsitzenden,  
    Eitingon zum Schriftführer gewählt. Der Mitgliederbeitrag wurde  
    auf M 400.– jährlich erhöht, für Auswärtige tritt auf Wunsch ei-  
    ne Ermäßigung ein. Mit Hilfe dieser Beiträge wird der Verein im  
    Jahre ca. 9.000 M zu Gunsten der Poliklinik aufbringen.

    Am 31. Januar 1922 findet die erste Sitzung zur Vorberei-  
    tung des Kongresses statt.

    Mit herzlichem Grusse

          Abraham      Sachs