• S.

    Dr. K. Abraham
    10789 Berlin W. 
    Rankenstrasse 24.

    7. I. 14. 

    Lieber Herr Professor, 

    Zuerst das Unangenehme, Politische. Jung fragt 
    wegen des Kongreßortes an. Mein Vorschlag (Schandau 
    b. Dresden), der angenommen war, erscheint mir selbst 
    nachträglich ungünstig, insofern als der Ort nur bei schönem 
    Wetter brauchbar ist. Bei schlechtem Wetter wäre man auf 
    das Hotel angewiesen und hätte sonst nichts. Ich glaube 
    daher, daß Dresden der richtige Ort ist. Die Wiener Kollegen 
    sind wegen der guten Tag‑ & Nachtverbindungen gewiß 
    zufrieden damit. Das Arrangement würde ich über-
    nehmen. Sollte dieser Vorschlag Ihnen nicht gut scheinen, 
    bitte ich um Nachricht; unsre Gruppe stimmt am 
    17. Januar ab. Ferenczi & Jones schrieb ich soeben im 
    gleichen Sinne. – – –

    Die Verhandlungen mit den Jahrbuch‑Referenten 
    sind gut von Statten gegangen. –  Ich sitze jede freie 
    Minute an der Schautrieb‑Arbeit. 

    Ihre Mitteilungen über die Genese des Masochismus 
    haben mich in diesen letzten Tagen auf eine Spur gebracht, 
    die mir aussichtsvoll scheint. Es handelt sich um die 
    Auflösung des Exhibitionismus (als Perversion, nicht 
    die allgemein exhibitionistischen Neigungen der Neurotiker) 
    Der Zusammenhang scheint mit der Kastrationsangst

  • S.

    scheint mir ganz eklatant zu sein. Es wäre ein 
    trotziges Zeigen des Körperteils, um den man sich ängstigt, 
    aus mehreren, wohl meist zusammengesetzten Motiven: 

    1.) angstbetonter Zwang; man entblößt sich ängstlich 
    (wegen der drohenden Kastr.), folgt dabei (wie der Masochist) 
    dem ubw. Antrieb ] Wunsch, kastriert zu werden. 

    2.) trotziges Sich‑Zeigen: ich habe trotz der Drohung 
    den Penis noch! 

    3.) Wunsch, dem Weibe zu imponieren, resp. es zu 
    erschrecken. Versuch, das Weib auf diese Weise zum 
    gleichen Handeln zu veranlassen, da die herabgesetzte 
    sexuelle Aktivität (Kastr.‑Angst!) kein andres Vorgehen 
    gestattet. (Meist ist Impotenz gleichzeitig vorhanden) 

    Meiner Analyse nach geht die Exhib. ursprünglich 
    ganz sicher auf die Mutter. Versuch, mit dem Vater 
    in Konkurrenz zu treten. 

    Es ist spät, darum bitte ich Sie, die dürftige 
    Darstellung zu entschuldigen! 

    Meine Frau läßt Ihrer Tochter Anna für den 
    Brief herzlich danken. Im übrigen viele Grüße 
    von Haus zu Haus, und beste Wünsche für 1914! 

    Wie stets Ihr 
    Karl Abraham