• S.

    PROF. DR. FREUD 
    WIEN IX., BERGGASSE 19
    Berlin

    16. X. 1928

    Meine liebe Ruth

    Sie sehen, ich bin noch immer 
    hier. Schroeder ist berühmt 
    dafür, daß seine Zeitversprech-
    ungen unverläßlich sind. 
    Sonst scheint er ja gut zu sein.
    Ich kann Ihnen heute leicht 
    schreiben, weil man dazu 
    keine Prothese braucht. 
    (Vielleicht kann ein er-
    leuchteter Grapholog sogar aus 
    meiner Handschrift diagnost-
    iziren, daß ich gegenwärtig 
    keine im Mund habe.) Sie 
    soll mir erst heute abends 
    in definitiver Ausführung 
    eingesetzt werden. Es ist 
    nicht Bosheit, wenn ich Ihnen 
    noch vorher schreibe, Ihre 
    Spannung verlängere anstatt 
    sie zu befriedigen, denn 
    Sie wissen, daß mit dem 
    Abguß eine neue Periode 
    von Probieren und Kor-
    rigieren beginnt. Übrigens 
    will ich nicht verbergen, 
    daß ich auch mit dem 
    Provisorium bessere 
    Zeiten gehabt habe und

  • S.

    auf ein Stück Erfolg rechne. Wie 
    groß? Das weiß ich noch nicht.

    Alle Ihre Nachrichten 
    hatten mein volles Interesse, 
    auch wenn auf sie nicht ein-
    gehe. Es thut mir besonders leid, 
    daß Ihre Galle sich so un-
    psychisch benimmt, sie war 
    mir immer organischer 
    Neigungen verdächtig. Ihr 
    Mskpt ist nach London u an 
    Radó abgegangen, ich habe 
    nichts dazu bemerkt. Die 
    diagnostische Unsicherheit über 
    gewiße innere Bewegungen 
    werden Sie jetzt auch längst 
    überwunden haben.

    Also rüstig [richtig?] weiter bis zum 
    nächsten Termin! Soll wirk-
    lich der 3 März auch ein 
    solcher sein?

    Herzliche Grüße für Sie 
    und Mark von Ihrem 
    Freud