S.

PROF. DR. FREUD 
WIEN IX., BERGGASSE 19

26. 2. 1936

Liebe Ruth

Anerkennenswert, daß Sie ebenso 
schnell in die Höhe kom̄en, wie 
herunter, und schön, daß Sie dann 
auch gleich schreiben. Nun lassen Sie’s 
beim Gutten und muthen sich nicht 
plötzlich zuviel zu. Man ist immer 
in Versuchung Ihnen zu raten, 
obwol Sie offenbar keine Verwen-
dung dafür haben.

Da Sie immer alles wissen wollen, 
theile ich Ihnen mit, daß die Künste 
Pichler’s seit dem letzten Eingriff 
versagen, sodaß ich über eine 
reiche Auswal von Unannehm-
lichkeiten zu klagen habe. Viel-
leicht ist auch die gegenwärtige 
Katarrhinfekton Schuld daran. 
Til’s Erkrankung ist sehr über-
flüßig, aber Sie wissen, es nim̄t 
einen raschen Ablauf.

Brill hat seinen friedlichen 
Rücktritt angezeigt.  Es hat mich 
gefreut, daß er seinem Nach-
folger Lewin ein sehr gutes 
Zeugnis ausstellt. Vielleicht 
wird jetzt dort bessere Ruhe 
herrschen, wenn es Radó nicht 
gelingt, Unruhe zu stiften.

Die Welt hat wenig Geduld mit 
mir, sie kann es nicht erwarten 
mich zu begraben. Ich habe schon 
Glückwünsche zum 
80st erhalten. Herzlich auf 
Wiedersehen! 
Ihr 
Freud