• S.

    PROF. DR. FREUD 
    WIEN, IX., BERGGASSE 19.

    16. 6. 1929

    Meine liebe Ruth

    Endlich!  Der Schreibtisch ist 
    kahl, die Zimmer demolirt, 
    übermorgen reisen wir, 
    Martha, Lün und ich nach 
    Berchtg, Anna, Dorothy, Wolf 
    u Kinder einen Tag früher. 
    Es ist hohe Zeit, bis in die 
    letzten Tage haben wir 
    gut ausgehalten, aber jetzt 
    gienge es nicht weiter.

    Ich hoffe, Til hält die 
    frühe Sommerhitze, wenn 
    sie auch bei Ihnen ist, 
    besser aus als ich. Sie 
    ist jünger.

    Die große Neuigkeit dieser 
    Zeit ist Ihnen natürlich 
    längst bekannt, – Nunberg’s 
    Verlobung mit Margarethe
    Wir erwarten ihren gemein-
    samen Besuch heute 
    nachmittag. Ob sie viel 
    Talent zum „Glücklich“‑werden 
    und Glücklich‑machen hat,

  • S.

    läßt sich ja bezweifeln. Vor-
    läufig wollen wir uns alle 
    über das unerwartete Er-
    eignis freuen.

    Bis Freitag 21 dM habe ich 
    volle Ferien, dann stellen 
    sich Ruths u McCord auch in 
    Berchtg ein. Letzterer ist 
    ein lieber, tüchtiger, nüch-
    terner Kerl, ganz im 
    analyt. Fahrwasser. David 
    scheint doch innerlich er-
    griffen zu sein, ich erwarte 
    etwas von der Fortsetzg 
    im nächsten Jahr.

    Dr Karolyi ist mit der Pro-
    these sehr zufrieden. Ich 
    kann zwar nicht ordent-
    lich reden, aber er meint, 
    das kommt noch nach.

    Für Berchtg sind schon 
    ungezälte Besucher ange-
    meldet. Das läßt sich 
    nicht verhüten.

    Ich grüße Sie, Mark 
    u Baby herzlich 
    Freud