• S.

    PROF. DR. FREUD 
    WIEN, IX., BERGGASSE 19.

    18. 2. 1929

    Liebe Ruth

    Hoffe, Ihr letzter kinderloser Geburtstag 
    ist schön ausgefallen und die paar Worte 
    unseres Kabels sind rechtzeitig eingetroffen. 
    Gern denke ich daran, daß Sie wahrscheinlich 
    nur noch 14‑16 Tage zu warten haben, Es i
    st doch eine arge Quälerei, zum Glück 
    ist die liebe Natur in diesem Punkt 
    doch recht gnädig und legt alles darauf 
    an, daß das Menschengeschlecht Fortsetzung 
    findet.

    Daß Sie dabei noch Interesse für Patienten 
    haben, rührt mich sehr. Mark hat gewiß 
    Recht, daß man zu Anfang fressen 
    muß, was man bekommt. Nach Wien
    hoffe ich, werden Sie bereits unter 
    dem Material Auswal treffen können,

    Und nun lassen Sie mich den ägyptischen 
    Gott beschreiben, der endlich vor mir 
    auf dem Schreibtisch steht. Er ist klein, 
    nur 8 cm hoch, auf einem rohen Ziegel 
    von 4 cm als Basis. Farbe ein verwitt-
    ertes grünblau, intakt, vielleicht in der 
    Mitte einmal gebrochen und gut ge-
    kittet. Nicht leicht zu beschrieben. Am 
    besten, Sie erinnern an meinen großen 
    Marmoraffengot dieselbe kauernde 
    Stellung, Hände auf den Knien, die-
    selbe Behandlung von Schweif und Genitale. 
    Eigentlich ganz dieselbe Figur bis auf 
    den Kopf. Der ist höchst sonderbar und 
    erinnert durch das breite Maul und 
    die kugligen Augen wirklich an 
    einen Frosch.  Ein merkwürdiger Eindruck! 
    Ich werde ihn in zwei Ansichten 
    photographiren lassen u schicke Ihnen 
    die Bilder. Einen Kopfschmuck der 
    ihn als Gott kennzeichnet, trägt er 
    nicht. Soviel ich weiß, war der Frosch 
    den Ägyptern Symbol d. Unendlichkeit, 
    Ewigkeit, Beständigkeit.

  • S.

    Sein Geber Dr Ruths ist an einem Rückfall erkrankt, 
    noch im̄er nicht in Behandlung, ich schreibe Ihnen 
    in seiner Stunde.

    Wir haben eine böse Zeit hinter uns mit 
    Kälte, Schneefall, Wasser‑ und Kohlenot. Seit 
    10 Tagen hat keiner von uns gebadet. 
    Am Samstag war es einmal erlaubt, aber 
    da war das Gas eingefroren. Jetzt ver-
    spricht man uns baldige Besserung.  Heute 
    ± 0° R und C.

    Meine Frau hat einige Tage gefiebert und 
    zu Bett gelegen.  Mein Katarrh hat mich 
    bisher gegen die Infektion geschützt. Die 
    Quarzlampe scheint wol zu thun. Kiefer 
    und Prothese vertragen sich nicht mehr 
    so gut wie zu Anfang.  Es ist Zeit, daß 
    ich nach Berlin gehe (10 März). Nicht die 
    Prothese hat sich verändert, sondern 
    der Kiefer.

    Vielleicht wird Ernst Kris der erste von 
    uns sein, der das Baby bewundern 
    kann. Ich höre, daß er vom Metropolitan 
    Museum gerufen wird um die dortigen 
    Kamere zu bestimmen. Ich freue mich 
    sehr darüber. Lehrman hat ihm seine 
    Forderungen vorgeschrieben. Hoffentlich 
    ist das Museum liberal.  Er soll im 
    April reisen.

    Wenn ich von einem geeigneten Haus in Wien 
    höre, denke ich gewiß an Sie. Aber es ist 
    nicht wahrscheinlich. Dorothy unterhandelt 
    jetzt wegen einer Wohnung in unserem 
    Haus, dieselbe wie unsere Privatwohnung. 
    Der Inhaber verlangt 24.000 S Ablöse 
    und das gilt als nicht zu hoch.

    Ich grüße Sie alle herzlich 
    Freud