• S.

    PROF. DR. FREUD 
    WIEN, IX., BERGGASSE 19.

    4. 2. 1929

    Dear Ruth

    Aus Angst zu spät zu 
    kommen komme ich 
    zu früh. Ich meine natür-
    lich zu Ihrem Geburtstag, 
    unterstreiche aber das 
    „Ihrem“. Wünsche drückt 
    man nicht mehr aus. Erstens 
    verstehen sie sich von 
    selbst u zweitens schmecken 
    sie zu sehr nach der Allmacht 
    der Gedanken.

    Am 17ten werde ich eine 
    Kleinigkeit – in jedem 
    Sinn – zu Ihrem Depot bei 
    mir hinzufügen.  Mit dem 
    Schicken ist es doch nichts.

    Ihr Telegram̄ trifft mich 
    vielleicht in Berlin
    Schröder hat mich für etwa 
    den 10 März einberufen. 
    Auf wie lange?

    Die Therapie des Katarrhs 
    blieb bisher erfolglos. 
    Ein Elementarereignis 
    hat mich gezwungen, doch 
    wieder eine Seite für 
    den Druck zu schreiben. 
    Jones hatte am 1 Januar 
    50sten Geburtstag und

  • S.

    eine Nummer der Zeitschrift 
    muß ihm gewidmet werden. 
    Ich tat das Beste, um die 
    vorhandene Ambivalenz 
    der Gefühle zu verdecken.  
    Schließlich und endlich hat 
    man gegen die meisten 
    Menschen etwas einzu-
    wenden, wie sie gegen 
    einen selbst.

    Es ist so kalt an meinem 
    Schreibtisch, daß ich kaum 
    die Feder halten kann. 
    An einen ähnlichen Winter 
    kann ich mich nicht er-
    innern.

    Herzliche Grüße über den 
    grauen Ozean von 
    Ihrem 
    Freud