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S.
Wien, am 15. Juni 1922
Liebe Freunde!
Die beginnende Ferienzeit macht sich bereits in einer
Abnahme der Geschäfte bemerkbar. Vom Verlag ist nichts besonde-
res zu berichten; die Vereinigung hält am 21. ihre letzte
Sitzung ab und die Poliklinik wird ihren kaum noch recht be-
gonnenen Betrieb über den Sommer reduzieren. Der Professor geht
am 20. d. M. nach Gastein (zur Villa Wassing), bleibt dort bis
Schluß des Juli und wird im August in Berchtesgaden (Bayern)
sein (nähere Adresse folgt). Ich (Rank) gehe in der ersten
Julihälfte nach Seefeld in Tirol, Haus No 87, wo ich bis Mitte
September zu bleiben gedenke. Vor dem Kongreß werde ich dann
noch etwa eine Woche lang in Wien erreichbar sein. Übrigens
wird Ferenczi den August auch in Seefeld verbringen, wo wir
bereits für ihn gemietet haben. Was den Briefwechsel betrifft,
so besprach ich den nächsten Brief (1. Juli) noch mit dem Pro-
fessor und werde dann monatlich einmal schreiben, falls sich
nicht ein besonderer Brief als notwendig erweisen sollte. Ich
stehe den ganzen Sommer über mit dem Professor in regelmäßi-
gem Briefwechsel, ebenso auch mit dem Verlag und werde alles
Mitteilenswerte berichten (1. Juli, 1. August und 1. September). Ich
erbitte natürlich auch entsprechende Nachrichten während des
Sommers. Die nächsten Nummern der Zeitschriften (No. 2) werden
Anfangs Juli versendet und die 3. Nummern werden pünktlich auf
dem Kongreß ausgegeben werden, wo ja der Verlag eine Ausstel-
lung haben wird. (Nähere Mitteilungen folgen.)Von literarischen Neuigkeiten ist zu berichten, daß Hes-
nard dem Prof. mitteilte, es erscheine eine 2. Auflage seiner
Darstellung der Psychoanalyse (mit Régis, der inzwischen verstorben ist),
fast gar nicht verändert. Interessant sind die Mitteilungen Hes-
nards über Régis’ hohe Einschätzungen der Psa., die er allerdings
mehr für seinen Privatgebrauch reserviert zu haben schien
als für die Öffentlichkeit. Heute erscheint die Analyse Mr. Hesnard
offenbar schon offiziell genug, um des Verstorbenen Hochschätzung
zu bekennen. – Aus Amerika kamen zwei Bücher: Von Jelliffe:
„Psychoanalysis and the Drama“, um dessen Referat Du, l. Ernest, mich er-
sucht hast (ich besitze das Buch und werde es mir im Sommer erst an-
sehen, ob ich es ref. kann). Dann von Prescott: „The Poetic Mind“
(Macmillan).ad Bdpst: Auf Deine Anfrage, l. Ferenczi, möchte ich den 23. u. 24.
September als Tage der Komitézusammenkunft, u. zw. in Berlin, vor-
schlagen. Frl. Freud sprach über die spätere psychische Verar
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beitung der Schlagephantasien und zeigte an einem schön analy-
sierten Beispiel deren Überführungen in das sog. „normale“ Phanta-
sieleben. – Deine kleinen Mitteilungen (vom Säugling und Medusenhaupt)
befinden sich mit anderen in der Redaktionsmappe und warten
auf weiteres Material zur Füllung einer Rubrik. Deine Medusen-
deutung, die der Prof. nicht kannte, deckt sich so ziemlich damit.
Daß sie selbst ein erschrockenes Gesicht hat, ist offenbar ei-
ne Rückprojektion, denn ursprünglich machte ihr Anblick erschre-
cken. Der Prof. hat übrigens nicht die Absicht, die Deutung weiter
zu verfolgen; mythologisch scheint nicht damit anzufangen.
Was den gelehrten Säugling betrifft, so haben wir Deine frühere
Deutung nachgesehen und finden Deine damalige Schlußbemerkung,
daß es sich um das verdrängte Wissen des Kindes handelt, als
die zutreffendere. Im übrigen hat der Prof. noch keinen solchen
Traum gesehen (ich auch nicht). Der Prof. macht Dich aber darauf
aufmerksam, daß Mark Twain das Thema zu einer lustigen Geschichte
verarbeitet hat.Mit Dick hat Deuticke den Vertrag wegen der Traumdeutung
dieser Tage abgeschlossen. Dagegen vermissen wir die Antwort des un-
garischen Verlages auf unseren Vertragsentwurf. – Das angekündigte
Referat über Hypnose (incl. Schilder) würden wir gerne zum Abdruck
bringen, obwohl Schilders Broschüre bereits in der nächsten No.
kurz von Hitschmann besprochen ist.Der Berliner Brief, den Du, l. Ferenczi, in einer Karte von
mir verlangst, ist verspätet abgegangen und inzwischen wohl be-
reits bei Dir angelangt.ad Bln.: Brief, datiert v. 8. Juni, richtig erhalten; nichts zu bemer-
ken.ad Ldn.: Auf den in der Zwischenzeit eingegangenen Diplomentwurf
der Zentrale haben wir bereits mit einer Karte geantwortet. Wir
haben ihn nunmehr in der vorigen Sitzung (14. ds.) der Vereinigung
zur Kenntnis gebracht, die sich damit einverstanden erklärt hat.
Aus der Stellungnahme der Amerikaner zur Frage der Laienanaly-
se haben wir mit Bedauern ersehen, daß es unmöglich ist, Amerika
von hier aus zu beeinflussen. Brill scheint ja vollkommen zu ver-
sagen; es ist zu hoffen, daß Frink, der erst im Herbst dorthin
zurückkehrt (und also am Kongreß teilnehmen wird) seine Rolle zu
spielen berufen ist.Was den Kongreß betrifft, so freuen wir uns, daß die allgemei-
ne Neigung gegen die Diskussion geht und der Präsident ent-
schlossen ist, diese Absicht streng zu handhaben.Betreffs des amerikanischen Bücherverkaufes ist zu bemer-
ken, daß eine Verbindung mit Stechert sehr wenig Sinn hat; sol-
che Kommissionäre sind nur zum Verkauf gut eingeführter Litera-
tur zu brauchen, leisten aber gar nichts zur Einführung und Pro-
paganda, die wir gerade dringend brauchen. Unsere Amerikaner, von
denen Du, l. Ernest, etwas in dieser Richtung erhoffst, interes-
sieren sich scheinbar gar nicht für diese Angelegenheit.Meine Beiträge z. Mythenforschung sind vergriffen. Die 2. Auf-
lage erscheint geteilt in 2 Bände, von denen der eine die rein
mytholog. Arbeiten enthält (schon erschienen), der 2. die literar-